STRASSBURG (dpa-AFX) - Wer über eine Online-Plattform etwa als Taxifahrer, Hausangestellter oder Essenslieferant arbeitet, soll in der EU künftig mehr Rechte bekommen. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich am Donnerstag darauf, dass Betroffene besser gegen Scheinselbstständigkeit geschützt werden sollen, wie das EU-Parlament mitteilte. Auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte einen Deal.

Wenn Indizien etwa auf eine Kontrolle der Mitarbeitenden vorliegen, wird den neuen Regeln zufolge angenommen, dass die Arbeitnehmer Beschäftigte und keine Selbstständigen sind. Die Beweispflicht liege bei den Plattformen - sie müssten beweisen, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht, so das Parlament. Nach Angaben der EU-Staaten können Beschäftigte etwa besseren Zugang zu Bezahlung bei Krankheit, Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Einkommensunterstützung erhalten.

Bis zu 40 Millionen arbeiten als Plattformarbeiter in Europa

"Mit dem heutigen Kompromiss senden wir ein klares Signal an Uber und Co.: Faire Arbeitsbedingungen und Datenschutz gelten für alle", teilte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke mit. Scheinselbstständigkeit und Wettbewerbsverzerrung werde damit den Kampf angesagt. Nach Angaben der Chefverhandlerin des EU-Parlaments, Elisabetta Gualmini, arbeiten bis zu 40 Millionen Menschen in Europa als sogenannte Plattformarbeiter.

Bereits im Dezember hatten sich die EU-Unterhändler auf die neuen Regeln verständigt. Kurz vor Weihnachten musste die damalige spanische EU-Ratspräsidentschaft aber mitteilen, dass der Deal geplatzt war. Im Januar hatte Belgien die regelmäßig wechselnde Präsidentschaft übernommen und nun erneut eine Einigung ausgehandelt. Diese muss aber noch offiziell grünes Licht vom Europaparlament und den EU-Staaten bekommen - an diesem Schritt war das Vorhaben im Dezember gescheitert.

Der damaligen Einigung zufolge sollten Plattformarbeiter als Beschäftigte eingestuft werden, wenn zwei von fünf Aspekten erfüllt sind. Dazu zählten Angaben der EU-Staaten zufolge etwa, wenn es Gehaltsobergrenzen gibt, die Leistung der Arbeitnehmer überwacht wird oder es Beschränkungen bei der Wahl der Arbeitszeiten beziehungsweise Vorschriften für das Erscheinungsbild der Arbeiterinnen und Arbeiter gibt. In Mitteilungen nach der nun gefundenen Einigung ist dieser Aspekt nicht mehr enthalten.

Mehrheit für Einigung ungewiss - deutsche Zustimmung steht noch aus

Ob die neue Einigung unter den EU-Staaten eine Mehrheit findet, ist unklar. Nach Angaben von Radtke liege es am französischen Präsident Emmanuel Macron, ob eine Mehrheit zustande kommt. Aber auch Deutschland stimmt dem Vorhaben derzeit nicht zu. "Die Gespräche in der Bundesregierung zum Richtlinien-Entwurf dauern an", heißt es aus dem Bundesarbeitsministerium. Es setzte sich aber für ein ambitioniertes EU-Gesetz für faire Arbeitsbedingungen ein. Radkte findet es "beschämend", dass sich Berlin bislang nicht auf eine Position einigen konnte. Eine Abstimmung unter den EU-Staaten ist kommende Woche vorgesehen.

Zu höheren Preisen bei den Kundinnen und Kunden soll die neue Richtlinie zumindest bei Essenslieferant Lieferando nicht führen. Das Unternehmen stelle bereits alle seine Fahrerinnen und Fahrer regulär an, "mit allen entsprechenden Bezügen und Rechten für die Beschäftigten", teilte Lieferando auf Anfrage mit. "Dementsprechend halten wir die Richtlinie für kostenneutral umsetzbar, zugunsten besserer Branchenstandards." Das Unternehmen ruft die Bundesregierung daher zur Unterstützung der Richtlinie auf.

Der Fahrdienstleister Uber teilte mit, da noch kein abschließender Rechtstext vorliege, könne noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben werden. Die Firma verwies auf ein Statement des europäischen Industrieverbandes Move EU. Der Verband bezeichnete die vorläufige Einigung demnach als Ergebnis "eines überstürzten Prozesses, bei dem es darum ging, einer Richtlinie um jeden Preis zuzustimmen, obwohl sie von vielen Mitgliedstaaten nicht unterstützt wurde." Die Richtlinie gehe nicht auf die Bedürfnisse von Fahrern, Plattformen und Fahrgästen ein. Der Verband fordere die EU-Staaten auf, die erzielte Einigung kritisch zu hinterfragen und abzulehnen./mjm/DP/jha