BERLIN (dpa-AFX) - Die Energiepreiskrise als Folge des Ukraine-Krieges lässt in den G20-Staaten die Subventionen für fossile Energien stark steigen und bremst damit den Klimaschutz. Trotz Fortschritten bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz drohe sich die Gruppe der großen Wirtschaftsnationen (G20) "in die falsche Richtung zu bewegen", warnte Germanwatch am Donnerstag bei der Vorlage des Jahresberichts von Climate Transparency, an dem die deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisation mitgearbeitet hat. Deutschland bekommt zwar für die Energieeffizienz der Wirtschaft gute Noten, schneidet aber bei Pro-Kopf-Emissionen im Verkehr schlecht ab.

"Wir stecken mitten in einer Krise, die die Grundlagen unserer Gesellschaften bedroht", heißt es in dem Bericht. "Hitzewellen, Dürre, Überschwemmungen und Waldbrände richten Zerstörung an: Jeden Tag sterben Menschen, verlieren andere ihr Zuhause und ihren Lebensunterhalt, werden Ökosysteme zerstört." Es blieben weniger als zehn Jahre, um die Erderwärmung unter 1,5-Grad zu halten. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, die Temperatur unter 2 Grad, besser noch auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Die G20-Staaten verantworten 75 Prozent der weltweiten Emissionen.

Regierungen treten auf die Bremse

Die Krise bei den Lebenshaltungskosten lenke von den Gefahren des Klimawandels ab, warnt der Report von Climate Transparency. In dem Netzwerk sind 16 Forschungsgruppen und regierungsunabhängige Organisationen aus 14 G20-Ländern vertreten. Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine seien die Preise für Energie und Nahrung in die Höhe geschossen, die Energieversorgung sei unsicher geworden, heißt es weiter. "Einige Regierungen befürworten eine Pause in den Klimaschutzbemühungen, und andere benutzen die Energiekrise als Entschuldigung, die Bemühungen zur Entschärfung zu verringern und die Abkehr von fossilen Stoffen hinauszuzögern."

Subventionen steigen

Trotz aller Versprechen, die Zuschüsse zu verringern, seien die Subventionen in fossile Energien von 2020 bis 2021 schon um fast 30 Prozent auf rund 190 Milliarden US-Dollar angestiegen. "In diesem Jahr sehen wir nun nochmal massiv wachsende Investitionen in fossile Infrastruktur", sagte Germanwatch-Experte Burck. "Wir drohen, uns von den Klimazielen der Staaten für 2030 zu entfernen, statt ihnen näher zu kommen."

Auch habe sich keiner der G20-Staaten bisher überhaupt Ziele gesetzt, mit denen das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden könne. Es müssten mehr Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz gelenkt werden. Kritisch sehen die Experten von Clima Transparency die Energiepreisbremsen in verschiedenen Ländern, weil sie "häufig wirksame Klimapolitik umgehen und untergraben".

Emissionen steigen

Nach einem Einbruch der CO2-Emissionen im ersten Corona-Jahr 2020 um 4,9 Prozent in den G20-Staaten wuchsen sie 2021 aber wieder stark um 5,9 Prozent. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, wäre aber fast eine Halbierung bis 2030 notwendig. "Die G20 haben also keine Zeit mehr zu verlieren", sagte Thea Uhlich von Germanwatch. Der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix sei im G20-Schnitt weiter zu niedrig, wenn auch leicht auf 10,5 Prozent (2021) gestiegen. Vier Jahre zuvor waren es 9,1 Prozent.

Gemischte Bilanz für Deutschland

Deutschland liegt beim Ausbau erneuerbarer Energie mit plus drei Prozent (2017-2021) nur knapp über dem EU-Schnitt auf Platz Vier. Bei der Verringerung der Emissionen pro Kopf gehörte Deutschland zu den führenden G20-Nationen. Sie sanken von 2015 auf 2019 um 11,9 Prozent, liegen pro Kopf aber immer noch höher als der G20-Durchschnitt.

Bei der Energieintensität der Wirtschaft schneidet Deutschland besser als der G20-Durchschnitt ab. Doch nicht im Verkehrssektor: Auf jeden Bundesbürger entfallen 2,4 Tonnen Emissionen pro Jahr aus dem Verkehr

- fast doppelt so viel wie im G20-Schnitt. Besonders problematisch

ist der Flugverkehr. "Ein Plus von 16 Prozent im Fünf-Jahres-Trend schon vor Corona allein an deutschen Flughäfen - das zeigt, wie groß unser Problem in dem Bereich gerade wird", sagte Burck.

Deutlich mehr Hitzetote in Deutschland

Die Folgen des Klimawandels sind durch einen deutlichen Anstieg der Hitzetoten in Deutschland spürbar. Die hitzebedingten Todesfälle bei Über-65-Jährigen seien in den vergangenen fünf Jahren um 54 Prozent gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2004 gestiegen, geht aus dem Bericht hervor. Zudem stieg die Durchschnittstemperatur in Deutschland fast dreimal so stark wie weltweit: Um 0,8 Grad im Vergleich zum Durchschnitt im Zeitraum 1986 bis 2005 (weltweit plus 0,3 Grad).

Klimafinanzierung unzureichend

Das Versprechen, die Entwicklungsländer beim Klimaschutz und der Anpassung mit 100 Milliarden US-Dollar im Jahr zu unterstützen, werde nicht erfüllt, bemängelt der Bericht. Während einige - wie etwa Frankreich, Japan und Deutschland - ihren gerechten Anteil leisteten, seien andere im Rückstand, so dass das Gesamtziel nicht erreicht werde. Deutschland solle seine Klimafinanzierung aus Haushaltsgeldern bis 2025 auf acht bis zehn Milliarden Euro erhöhen, fordert Germanwatch./lw/DP/zb