ERLANGEN (dpa-AFX) - Kosten für den Umbau der Diagnostik sowie für eine Neuaufstellung des Robotikgeschäfts haben den Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers
Die Aktie geriet am Mittwochvormittag unter Druck und verlor sieben Prozent. Händler sprachen von durchwachsenen Halbjahreszahlen, die die Erwartungen leicht verfehlt hätten. Analyst James Vane-Tempest vom Investmenthaus Jefferies kommentierte: "Die Zahlen des zweiten Geschäftsquartals werden überschattet durch die enttäuschende Diagnostik-Sparte und das gesenkte Jahresziel für diese Sparte." Hinzu kämen die Abschreibungen im Robotikgeschäft des Segments Advanced Therapies. JPMorgan-Experte David Adlington monierte ebenfalls die Entwicklung in der Diagnostik, währenddessen das restliche Kerngeschäft sehr stark gewesen sei.
Das auf die Anteilseigner entfallende Nettoergebnis fiel im bis Ende März gelaufenen zweiten Quartal von 579 Millionen auf 105 Millionen Euro, wie das Unternehmen am Mittwoch in Erlangen mitteilte. Hauptgrund war die Entscheidung, einen Teil des endovaskulären Robotikgeschäft einzustellen.
So habe das Kardiologiegeschäft die Erwartungen nicht erfüllt, erläuterte Montag den Schritt in einer Telefonkonferenz. Healthineers wolle sich künftig auf Anwendungen für Gefäßinterventionen in der Neurologie konzentrieren. Healthineers schrieb im Quartal 244 Millionen auf den Teilbereich ab, die Gesamtbelastungen lagen bei 329 Millionen Euro. Weitere Kosten erwartet Finanzvorstand Jochen Schmitz nicht.
Das Geschäft mit robotergestützten Operationen hatte Healthineers 2019 in den USA unter dem Namen Corindus für rund 1,1 Milliarden US-Dollar übernommen und in seine Sparte mit Präzisionsmedizin (Advanced Therapies) eingegliedert. Es war damals eine Wette auf die Zukunft, da das Geschäft nur geringe Umsätze erzielte.
Nun erklärte Montag, man habe die Akzeptanz in der Kardiologie "überschätzt". Im Markt befindet sich seinen Angaben zufolge eine niedrige dreistellige Geräteanzahl. Nun setzt Healthineers auf die Neurologie, wie etwa Schlaganfälle. Doch hier ist das System noch in der Entwicklung. Bis zur Marktreife werde es "noch eine Weile dauern". Montag zeigte sich trotz des Rückschlags zuversichtlich. Endovaskuläre Robotik sei "nur eine Frage der Zeit".
Neben dem Robotikgeschäft belastete der Umbau der Diagnostiksparte mit 77 Millionen Euro. So will sich Siemens Healthineers wie bereits bekannt mit ihren Laborsystemen auf die Atellica-Plattformen konzentrieren und ältere Technologien sukzessive aufgeben. Die Vereinfachung des Portfolios soll auch die Komplexität verringern. Der Plan sieht schlankere Strukturen in Organisation und Forschung vor. Die Investitionen will Healthineers auf Schlüsselregionen konzentrieren. Auch Lieferketten und Service sollen "optimiert" werden.
Das Diagnostikgeschäft hatte im vergangenen Jahr erheblich von Tests im Zusammenhang mit Covid-19 profitiert. Dies fällt nun weg, was zu deutlichen Einbußen bei Umsatz und Ergebnis führt. Auch bereinigt um das Geschäft mit dem Coronavirus lief die Entwicklung mit einem vergleichbaren Umsatzminus von einem Prozent im zweiten Quartal mau. Im zweiten Halbjahr soll die Sparte wieder zu Wachstum zurückkehren. Healthineers senkte dennoch die Erwartungen für das Geschäftsjahr 2022/23 in dem Bereich, so dürften die Erlöse stärker sinken und auch die Marge stärker unter Druck geraten als erwartet. Im schlechtesten Fall geht Healthineers von einer operativen Marge von minus vier Prozent aus, im besten Fall von dem Erreichen der Gewinnschwelle.
Der Umsatz sank im Konzern im abgelaufenen Geschäftsquartal um 2,1 Prozent auf 5,35 Milliarden Euro, wie es weiter hieß. Bereinigt um die Coronaschnelltests stieg der Umsatz auf vergleichbarer Basis indes um 11,2 Prozent. Dabei sind Währungs- und Portfolioeffekte ausgeklammert. Das Geschäft mit der Bildgebung zeigte sich robust. Es erzielte ebenso ein zweistelliges vergleichbares Wachstum wie Varian. Der Krebsspezialist profitierte zudem von Umsatzverschiebungen, nachdem er zum Jahresauftakt unter Lieferkettenverzögerungen gelitten hatte. Advanced Therapies wuchs deutlich.
Die gute Entwicklung konnte die Schwäche der Diagnostiksparte jedoch nicht ausgleichen. Die Restrukturierung des Geschäfts sowie insgesamt höhere Kosten belasteten zusätzlich. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel um 30 Prozent auf 681 Millionen Euro und damit deutlicher als von Analysten erwartet.
Den Ausblick für das Geschäftsjahr bestätigte Siemens Healthineers für den Konzern. Für das dritte Quartal geht das Unternehmen dabei von einer Rückkehr zu Wachstum aus. Für 2022/23 erwartet Siemens Healthineers weiter einen vergleichbaren Umsatz in der Spanne von minus einem bis plus einem Prozent zum Vorjahr. Klammert man das Testgeschäft aus, dürfte das vergleichbare Umsatzwachstum bei sechs bis acht Prozent liegen. Dabei sieht Schmitz eine Entwicklung am oberen Ende der Spanne.
Das bereinigte Ergebnis je Aktie dürfte im laufenden Geschäftsjahr auf 2,00 bis 2,20 Euro sinken. Dabei geht Schmitz davon aus, das untere Ende der Spanne zu erreichen. Zudem erwartet das Unternehmen einen stärker als zuvor angenommen Gegenwind von der Währungsseite, der das bereinigte Ergebnis je Aktie mit 0,10 Euro belasten dürfte. Die Mittelfristprognose wurde bestätigt./nas/mis/stk