HANNOVER (dpa-AFX) - Der Automobilzulieferer Continental hat seinen Geschäftsausblick für das laufende Jahr wegen eines schwächer laufenden Ersatzreifengeschäfts etwas gedämpft. So geht Vorstandschef Niko Setzer bei der Bandbreite für das Umsatzziel von rund einer halben Milliarde Euro weniger als bisher aus, weil die Ersatzreifenmärkte in Nordamerika und Europa derzeit schrumpfen, wie es am Mittwoch von den Hannoveranern hieß. Auf der anderen Seite rechnet Conti nun mit einer etwas besseren Automobilproduktion auf der Welt als bisher - und mit weniger Gegenwind von höheren Kosten. Die Conti-Aktie legte im Dax leicht zu.

Das Papier gewann am Vormittag 1,7 Prozent auf 71,04 Euro. Seit geraumer Zeit bewegt sich der Kurs um die Marke von 70 Euro, das Jahreshoch stammt aus dem März mit gut 79 Euro. Seit Jahresanfang hat die Aktie gut ein Viertel gewonnen. Längerfristig ist der Trend aber negativ - im Juni 2021 war der Anteilsschein noch über 118 Euro wert, 2018 auf dem Rekordhoch sogar weit mehr als 200 Euro. Analyst Himanschu Agarwal von der US-Investmentbank Jefferies erwartet vom gesenkten Umsatzausblick keine nennenswerten Effekte auf die Markterwartungen, wie er in einer Einschätzung schrieb.

Das Conti-Management plant für das Jahr jetzt noch einen Gesamtumsatz zwischen 41,5 und 44,5 Milliarden Euro ein. Bisher standen 42 bis 45 Milliarden Euro als Ziel. Die Prognose für die operative Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern bleibt unangetastet. Conti hatte bereits vor rund einem Monat Eckdaten vorgelegt und dabei die Zielsetzungen für die schwächelnde Autozuliefersparte bestätigt, die im zweiten Quartal überraschend wegen Währungseffekten und teuren Sonderfrachten wieder in die roten Zahlen abgerutscht war.

"Das Ergebnis von Automotive ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben, hier müssen wir im zweiten Halbjahr deutlich aufholen", sagte Chef Setzer laut Mitteilung. Für die labile Sparte, die in der jüngeren Vergangenheit des Öfteren operativ Verluste schrieb, sieht das Management Besserung. Zum einen hat der Konzern eine weitere Runde Preisverhandlungen mit den Kunden angestoßen, die sich positiv bemerkbar machen sollen - erste positive Abschlüsse habe es bereits im Juli gegeben.

Zum anderen geht Conti für den Gesamtmarkt bei der Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen von einer etwas besseren Entwicklung aus als bisher. So sollen weltweit drei bis fünf Prozent mehr Autos als im vergangenen Jahr hergestellt werden, statt nur zwei bis vier Prozent.

Conti hängt mit vielen Geschäften direkt von den Produktionszahlen der Autobauer ab, denn je mehr diese produzieren, umso mehr Teile rufen sie bei Conti ab. Im zweiten Quartal zog die Autoproduktion um 16 Prozent auf weltweit fast 22 Millionen Fahrzeuge an, am stärksten war der Anstieg im weltgrößten Automarkt China.

Neben den kurzfristig anvisierten Verbesserungen heimste Conti im Quartal 8,6 Milliarden Euro an Aufträgen für das Geschäft rund um Elektronik, Software, Sicherheit und Innenausstattung ein. Vor allem aus der im April bekanntgegebenen Partnerschaft mit dem US-Start-up Aurora resultierten hohe Bestellungen. Für die gemeinsam angebotenen autonom fahrenden Lkw-Systeme, die ab 2027 auf den amerikanischen Markt kommen sollen, verzeichnete Conti Aufträge in Höhe von rund 4,8 Milliarden Euro. Conti liefert für die Systeme die Hardware und Zusatzsoftware.

Bei den auflaufenden Mehrkosten hellt sich das Umfeld für Conti langsam etwas auf. Das Unternehmen geht nun nicht mehr von 1,7 Milliarden Euro zusätzlichen Kosten für Gehälter, Material, Energie und Logistik gegenüber dem Vorjahr aus, sondern nur noch von 1,4 Milliarden. In der Reifensparte besserten sich die Aussichten um rund 200 Millionen Euro, im Bereich Kunststofftechnik (Contitech) um rund 100 Millionen.

Contis Finanzchefin Katja Dürrfeld wollte im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX noch keinen Ausblick darauf geben, wann etwa sinkende Rohstoffpreise zu einem Rückenwind werden könnten. Nachlassende Rohmaterialpreise im Reifenbereich habe das Unternehmen allerdings bereits in den vergangenen Monaten gesehen.

Die Managerin ist zuversichtlich, durch die geplanten Verbesserungen im operativen Ergebnis des zweiten Halbjahrs und durch ein besseres Management des betriebsnotwendigen Kapitals die Wende zum positiven Barmittelzufluss (Free Cashflow) im angestrebten Rahmen noch hinzukriegen.

Nach sechs Monaten steht ein um Übernahmeeffekte bereinigter Abfluss von 964 Millionen Euro zu Buche. Einkalkuliert sind aufs Jahr gesehen plus 0,8 bis 1,2 Milliarden Euro. Investoren beachten die Kennziffer verstärkt, weil sie Aufschluss geben kann über den Spielraum zur Zahlung der Dividende.

Der Umsatz kletterte im zweiten Quartal im Jahresvergleich um 10,4 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern konnte Conti um knapp ein Viertel auf 497 Millionen Euro steigern. Unter dem Strich blieb ein Nettogewinn von 209 Millionen Euro, nachdem der Konzern ein Jahr zuvor einen Verlust von 251 Millionen Euro eingefahren hatte. Dabei schlug der Verkauf des russischen Reifenwerks in Kaluga mit insgesamt knapp 80 Millionen Euro negativ zu Buche.

Auch abseits der Russland-Geschäfte strickt Conti weiter am Portfolio. Im Juli gab das Unternehmen bekannt, die Aktivitäten im niedersächsischen Werk in Gifhorn bis Ende 2027 schrittweise einzustellen. Inzwischen ist Conti in Verhandlungen mit dem Heizungsbauer Stiebel Eltron in Gesprächen, der in Gifhorn den Bau von Wärmepumpenteilen plant./men/jsl/mis