MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der in Milliardenhöhe verschuldete Baywa -Konzern hat einen Sanierungsgutachter an Bord geholt. Das Gutachten soll die "angespannte Finanzierungslage" verbessern, wie der Münchner Agrarhandels- und Energiekonzern mitteilte. Der Vorstand bekundete gleichzeitig seinen Optimismus, dank "konstruktiver Gespräche mit den Finanzierungspartnern" und der eingeleiteten Maßnahmen die Finanzsituation nachhaltig stärken zu können. Ein großes Problem sind die seit 2021 stark gestiegenen Zinszahlungen für die Kredite, wie den Geschäftsberichten zu entnehmen.

Einzelheiten des Sanierungsprogramms unklar

Baywa-Chef Marcus Pöllinger und seine Vorstandskollegen ließen die Pflichtmitteilung am Freitagabend nach Börsenschluss veröffentlichen. Wer der Gutachter ist, und bis wann das Sanierungsgutachten vorliegen soll, teilte das Unternehmen am Samstag zunächst nicht mit. Im nachbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate ging es für Baywa am Freitagabend steil abwärts - um rund 20 Prozent sackte die Aktie ab.

Rote Zahlen

Im Februar 2023 hatte die Baywa mit einer großen Gala ihren 100. Geburtstag gefeiert - und das Jubiläumsjahr mit einem Nettoverlust von 93 Millionen Euro beendet. Im ersten Quartal rutschte die Baywa mit einem Minus von 108 Millionen Euro noch tiefer in die roten Zahlen.

Ende des ersten Quartals drückten lang- und kurzfristige Schulden in Höhe von fast 5,6 Milliarden Euro die Baywa. Schon auf der Hauptversammlung im Juni hatte Pöllinger sozialverträglichen Stellenabbau und Verkäufe nicht wesentlicher Geschäftsbereiche angekündigt. Die Baywa hat zurzeit gut 24 000 Mitarbeiter.

Expansion auf Pump

Diese Schulden gehen zu Großteil auf die Amtszeit des langjährigen Vorstandschefs Klaus Josef Lutz zurück, der den ehedem auf den Agrarhandel beschränkten Konzern bis Frühjahr 2023 leitete. Der Manager expandierte auf Kredit quasi rund um den Globus. Lutz baute vor allem das Geschäft mit erneuerbaren Energien als zweites Standbein des Konzerns auf.

Doch auch im Agrarhandel kaufte die Baywa in Lutz' Amtszeit zu: So wurde die Baywa Mehrheitseignerin des großen neuseeländischen Apfelanbauers Turners and Growers, der seine Plantagen überrall auf der Welt betreibt. Auch viele deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher, denen das Unternehmen kein Begriff ist, haben Baywa-Früchte in der Hand: Dazu zählen beispielsweise Äpfel der Sorten "Kanzi" und Jazz".

Der heutige Chef Pöllinger ist allerdings kein Baywa-Novize, der die Probleme nur geerbt hätte: Er gehört dem Vorstand seit Ende 2018 an. Unerfreulicherweise für die Baywa ging der Anstieg der Verschuldung einher mit dem rasanten Anstieg der Kreditzinsen seit 2022, eine Entwicklung, die auch andere Unternehmen schon in Schwierigkeiten gebracht hat.

Der Vorstand hatte offenkundig mit langfristig niedrigen Zinsen kalkuliert und wurde böse überrascht. 2021 zahlte die Baywa knapp 122 Millionen Euro Kreditzinsen, 2022 waren es 202 Millionen, 2023 schoss die Zinsbelastung dann auf 362 Millionen Euro in die Höhe. Das war die maßgebliche Ursache der Verluste, denn im operativen Geschäft schrieb die Baywa schwarze Zahlen.

Milliardenkredit wird 2025 fällig

Die drückende Zinslast ist jedoch nicht das einzige Problem: Ein beträchtlicher Teil der Schulden ist in einem Konsortialkredit mit einem Rahmen von bis zu 2 Milliarden Euro gebündelt, Ende 2023 hatte die Baywa davon 1,4 Milliarden in Anspruch genommen, wie im Geschäftsbericht 2023 nachzulesen. Die Uhr tickt: Der Konsortialkredit läuft im September 2025 aus.

Sehr unerfreulich ist die Entwicklung auch für den früheren Vorstandschef Lutz. Er war 2023 unmittelbar auf den Sessel des Aufsichtsratschefs gewechselt, legte den Posten aber Anfang dieses Jahres nach internen Streitigkeiten nieder. Doch aus dem Rampenlicht ist er nicht verschwunden: Als Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags ist Lutz einer der prominentesten Repräsentanten der heimischen Wirtschaft./cho/DP/he