LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der zuletzt immer weiter wachsende Druck von Investoren auf Bayer
Baumann steht seit langem in der Kritik, vor allem die 2018 abgeschlossene Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto für 63 Milliarden US-Dollar hängt dem Manager nach. Mit dem Kauf hatten sich die Leverkusener teure Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat ins Haus geholt. Die milliardenschweren Rechtskosten für Verfahren und Vergleichszahlungen lasteten auf den Zahlen des Konzerns. Die Bayer-Aktie befand sich über Jahre im Sinkflug. Im Jahr 2019 verweigerten die Aktionäre dem Vorstandschef auf der Hauptversammlung gar die Entlastung.
Seit Mitte vergangenen Jahres war dann klar, dass Baumann keine Verlängerung seines Vertrags anstrebt, der eigentlich noch bis ins Jahr 2024 lief. Allerdings hatten schon Spekulationen über einen früheren Abgang die Runde gemacht, weil das Kapital Glyphosat zwar nicht beendet ist, die ganz großen Risiken aber abgearbeitet sein sollten. Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann wolle einen Kandidaten bis zur Hauptversammlung im April 2023 präsentieren, hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg bereits im September unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet.
Schon länger Druck machen wohl langfristig orientierte strategische Investoren wie der singapurische Staatsfonds Temasek, der mit mehr als drei Prozent einer der größten Anteilseigner ist. Man stehe mit dem Bayer-Aufsichtsratschef in "konstruktivem Dialog", was die "strategische Fokussierung und die generelle Struktur des Unternehmens" angehe, hatte Temasek-Europachef Uwe Krüger dem "Handelsblatt" Anfang Dezember gesagt.
Zuletzt mischten dann auch mehrere aktivistische angelsächsische Investoren mit und forderten deutliche Veränderungen bei dem deutschen Konzern. Und Interessenvertreter einheimischer Investoren legten nach. "Bei der CEO-Nachfolge gilt: Je früher, desto besser! Sobald ein geeigneter Kandidat gefunden wurde, wird sich Herr Baumann einer vorzeitigen Stabübergabe bestimmt nicht widersetzen", sagte etwa Markus Manns, Manager bei der Fondsgesellschaft Union Investment der "Rheinischen Post" erst in dieser Woche.
Er betonte weiter: "Ein externer Nachfolger oder eine externe Nachfolgerin hätte den Charme, Bayers Probleme unvoreingenommen analysieren zu können und könnte frischen Wind in die Organisation bringen." Wie er nun am Mittwochabend sagte, hält er Bill Anderson für eine sehr gute Wahl. Das "könnte der Befreiungsschlag sein, auf den Investoren gewartet haben. Er hat in den USA das nötige Netzwerk und das Know-how, um Bayer innovativer zu machen. Anderson wird zum Amtsantritt wahrscheinlich von vielen Investoren einen enormen Vertrauensvorschuss bekommen."
Anleger hoffen denn auch auf einen Neuanfang unter dem neuen Chef. Aktivistische Investoren fordern gar eine Aufspaltung des Konzerns, da sie zu wenig Überschneidungen zwischen der Agrar- und der Pharmasparte sehen. Die Konzernführung hatte dies aber immer wieder zurückgewiesen und auch auf Überschneidungen in der Pharma- und der Agrarforschung verwiesen, etwa mit Blick auf Gentechnik.
Aufspaltungsbefürworter dürften jetzt positiv vermerken, dass mit Anderson ein ausgemachter Pharmaexperte die Führung unternimmt, der bei Roche in teils herausfordernden Zeiten viel Positives bewegt habe, sagte Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research. Gleichzeitig betone Bayer aber auch, dass der neue Chef ein studierter Chemieingenieur sei, was wohl den Befürwortern einer unveränderten Konzernstruktur gefalle.
Für alle Seiten positiv sei aber, dass wohl schon bald Klarheit herrschen werde. Zechmann rechnet mit einem Strategieupdate unter neuer Führung noch spät im Jahr 2023.
So sehen es offenbar auch die Aktionäre. Die Papiere zogen auf die aktuellen Nachrichten hin deutlich an und gingen mit einem Plus von sechs Prozent auf 62,49 Euro aus dem Xetra-Handel. Zum Vergleich: Vor dem ersten Glyphosat-Urteil gegen Bayer im August 2018 kosteten die Papiere gut 93 Euro. Das Minus seither: ein Drittel, und das, obwohl sich die Aktien 2022 gefangen hatten und im noch jungen Börsenjahr 2023 schon um gut 29 Prozent zugelegt haben.
Kurstreiber waren neben den Fortschritten in der Causa Glyphosat ein besser laufendes Agrarchemiegeschäft und große Fortschritte in Pharmasparte. Für diese haben sich die Perspektiven dank neuer, erfolgreicher Medikamente und einer aussichtsreichen Pipeline von Medikamenten-Kandidaten in den letzten ein bis zwei Jahren stark aufgehellt. Zuvor hatte das perspektivische Auslaufen der Patente für die Kassenschlager Xarelto, einem Blutgerinnungshemmer, sowie für das Augenmedikament Eylea Investoren große Sorgen bereitet hatten.
Ein Architekt des Pharmaerfolgs ist der Sparten-Chef Stefan Oelrich. Ob dieser sich Hoffnung gemacht hat, auf Baumann an der Konzernspitze zu folgen, ist offen. Wie er auf den neuen Konzernchef reagieren wird damit wohl auch./mis/men/zb/he