HANNOVER (dpa-AFX) - Der weltweit drittgrößte Rückversicherer Hannover Rück ist dank überschaubarer Großschäden mit mehr Gewinn ins Jahr gestartet. Auch für den verheerenden Einsturz einer großen Autobahnbrücke in der US-Stadt Baltimore hat der Vorstand nach eigener Ansicht genug Geld zur Seite gelegt. Konzernchef Jean-Jacques Henchoz sieht die Hannover Rück damit auf Kurs, in diesem Jahr wie geplant einen Rekordgewinn von mindestens 2,1 Milliarden Euro zu erzielen. Dazu sollen weiterhin höhere Preise für Rückversicherungsschutz beitragen, wie der Dax-Konzern am Dienstag in Hannover mitteilte.

An der Börse wurden die Neuigkeiten jedoch mit Kursverlusten quittiert. Die Hannover-Rück-Aktie verlor am Vormittag rund drei Prozent auf 228,10 Euro und gehörte damit zu den größten Verlierern im Dax. Zugleich entfernte sie sich weiter von ihrem Rekordhoch, das sie im März bei 256,60 Euro erreicht hatte.

Analysten sind mit Blick auf die Aktie geteilter Meinung: Branchenexperte Will Hardcastle von der Schweizer Großbank UBS erwartet, dass ihr Kurs absehbar auf 219 Euro sinkt. Sein Kollege Kamran Hossain von der US-Bank JPMorgan traut ihr hingegen einen Kursanstieg auf 290 Euro zu.

Im ersten Quartal verdiente die Hannover Rück unter dem Strich 558 Millionen Euro und damit rund 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zwar wuchs der Rückversicherungsumsatz nur um 1,6 Prozent auf knapp 6,7 Milliarden Euro und damit nicht so stark wie von Analysten erwartet. Allerdings warfen die Kapitalanlagen fast ein Drittel mehr ab als im Vorjahreszeitraum und damit mehr als gedacht.

Zudem blieb im Schaden- und Unfallgeschäft nach Abzug der Aufwendungen für Schäden, Verwaltung und Vertrieb ein größerer Teil der Einnahmen übrig: Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote verbesserte sich überraschend stark von 92,3 auf 88,0 Prozent. Der operative Gewinn (Ebit) der Sparte stieg um mehr als ein Drittel. Dies machte einen Rückgang in der Personen-Rückversicherung mehr als wett.

Am teuersten kamen die Hannover Rück ein Erdbeben in Japan, die Waldbrände in Chile und die Kollision zweier Flugzeuge in Japan mit insgesamt 52 Millionen Euro zu stehen. Der größte Einzelschaden dürfte jedoch der Brückeneinsturz in der US-Stadt Baltimore werden. Genauer beziffern konnte der Vorstand den Schaden jedoch ebenso wenig wie seine Kollegen vom weltgrößten Rückversicherer Munich Re vergangene Woche.

Das Containerschiff "Dali" hatte Ende März einen Stützpfeiler der Francis Scott Key Bridge im Hafen der Stadt gerammt und die mehr als 2,5 Kilometer lange, vierspurige Brücke zum Einsturz gebracht. Von der zerstörten Verkehrsverbindung sind auch die Lieferketten großer Unternehmen betroffen - was ebenfalls Versicherungsschäden nach sich ziehen kann.

Der Schadenfall sei sehr komplex, erklärte Hannover-Rück-Finanzchef Clemens Jungsthöfel in einer Telefonkonferenz. Noch sei unklar, welcher Teil auf die Schadenversicherung und welcher auf die Haftpflichtversicherung entfalle. Je nachdem, sei die Hannover Rück unterschiedlich stark betroffen.

Allerdings hat der Rückversicherer im ersten Quartal wie üblich sein gesamtes vorgesehenes Großschadenbudget von 378 Millionen Euro als Belastung gebucht. Zieht man die 52 Millionen für die schon bezifferbaren Schäden ab, bleiben noch 326 Millionen Euro Luft. Der Baltimore-Schaden werde komfortabel unterhalb dieser Summe liegen, erklärte Jungsthöfel.

Unterdessen konnte die Hannover Rück im Schaden- und Unfallgeschäft erneut höhere Prämien bei ihren Kunden durchsetzen - also Erstversicherern wie Allianz und Generali . Bei der Vertragserneuerung zum 1. April stiegen die Preise den Angaben zufolge um 1,5 Prozent. Veränderte Risiken und die Inflation hat die Hannover Rück dabei schon herausgerechnet. Die Munich Re hatte zuletzt hingegen einen leichten Preisrückgang gemeldet.

Die Hannover Rück baute ihr erneuertes Geschäftsvolumen nun um 7,1 Prozent aus. Und Jungsthöfel zeigte sich optimistisch, dass der Konzern bei der nächsten Erneuerungsrunde zum 1. Juli ähnliche Preiserhöhungen durchsetzen kann wie im April. Die weitere Entwicklung werde jedoch auch davon abhängen, ob es größere Schäden etwa durch Naturkatastrophen gibt./stw/niw/jha/