PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Europas wichtigste Aktienmärkte haben am Dienstag weiter nachgegeben. Die zahlreichen Belastungsfaktoren der vergangenen Wochen lasteten einmal mehr auf den Börsen. "Die Kombination aus weiter steigenden Zinsen und der erneuten Eskalation des Ukraine-Kriegs hat den Optimismus der Anleger aus der vergangenen Handelswoche nun wieder vollends vertrieben", beschrieb Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets die Lage. So ist die US-Notenbank bereit, im Kampf gegen die Inflation hohen wirtschaftlichen Schaden durch steigende Kosten für Kredite und Finanzierungen in Kauf zu nehmen.

Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 fiel um 0,49 Prozent auf 3340,35 Punkte. In Paris betrug das Minus im Leitindex Cac 40 am Ende 0,13 Prozent auf 5833,20 Punkte. Der britische FTSE 100 rutschte um 1,06 Prozent auf 6885,23 Punkte ab. Hier schlugen sich die Abgaben der schwer gewichteten Öl- und Rohstoffwerte nieder. Sie litten besonders unter den aktuellen Konjunktursorgen.

Nach den deutlichen Verlusten im dritten Quartal gibt es inzwischen aber auch Stimmen, die Hoffnungsschimmer ausmachen. "Zu Beginn des vierten Quartals scheinen die Aktienmärkte weltweit technisch überverkauft zu sein, und wir sind der Meinung, dass ein Großteil der negativen makroökonomischen Katalysatoren von den Märkten inzwischen eingepreist wurde", sagte Craig Burelle, Makroanalyst beim US-Investmenthaus Loomis Sayles. "Bei einer derart schlechten Stimmung könnten positive Entwicklungen somit eine kurzfristige Rally auslösen."

Die Konjunktursorgen an den Märkten schlugen sich in der Entwicklung der Rohstoff- und Ölwerte nieder. Beide gaben spürbar nach. Die hohe Inflation, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Folgen der Corona-Pandemie lasten derzeit laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) schwer auf der Weltwirtschaft. Der IWF senkte seine globale Wachstumsvorhersage für das kommende Jahr auf nunmehr 2,7 Prozent und warnte vor dem Risiko einer globalen Rezession. Eine schwächere Weltwirtschaft dürfte eine geringere Nachfrage nach Öl- und Rohstoffen nach sich ziehen.

Die deutlichsten Verluste in der europäischen Branchenübersicht verzeichnete der Chemiesektor mit einem Minus von 2,4 Prozent. Hier stachen die Aktien von Givaudan mit fast 7 Prozent Abschlag hervor. Damit waren die Papiere zugleich der mit Abstand schwächste Wert im Züricher Leitindex SMI . Der Aromen- und Duftstoffhersteller hatte im dritten Quartal beim Umsatz an Dynamik eingebüßt. Damit habe Givaudan die Hoffnungen des Marktes enttäuscht, hieß es von der US-Bank JPMorgan. Vermutlich dürften die durchschnittlichen Markterwartungen an den Gewinn je Aktie leicht sinken. Die Anteilscheine seien zudem noch immer vergleichsweise hoch bewertet.

Ferner hatte sich die US-Bank Morgan Stanley skeptisch zu den Aussichten der Chemiebranche geäußert. Nach sechs Quartalen mit Rückenwind scheine sich das Momentum für den Sektor zu drehen, schrieb Analyst Charles Webb. Die Nachfrage ebbe ab, Lagerbestände würden abgebaut und es gebe Druck auf die Margen.

Im Technologiesektor belasteten schwache Vorgaben aus Fernost. Asiatische Halbleiterwerte hatten unter Restriktionen der US-Regierung für den Export von Chips, wie sie etwa für künstliche Intelligenz verwendet werden, nach China gelitten. Schwergewichte wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) und Samsung gaben dabei deutlich nach. Dies traf auch den Aktienkurs des Zulieferers ASML : Er fiel am EuroStoxx-Ende um mehr als vier Prozent./la/he