PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die europäischen Aktienmärkte haben die wohl noch länger hohen US-Zinsen am Donnerstag mit kräftigen Verlusten quittiert. Der EuroStoxx 50 schloss 1,48 Prozent im Minus mit 4212,59 Punkten, während der Pariser Cac 40 1,59 Prozent auf 7213,90 Zähler einbüßte.

Einmal mehr besser hielt sich der Londoner FTSE 100 mit einem Rückgang um 0,69 Prozent auf 7678,62 Punkte. Die britische Notenbank beließ ihren Leitzins entgegen der prognostizierten weiteren Anhebung unverändert. Die denkbar knapp ausgefallene Entscheidung deutet laut JPMorgan-Experte Allan Monks zwar darauf hin, dass es zu weiteren Anhebungen kommen könnte. Doch dafür müssten die heimischen Wirtschaftsdaten sich erst erholen.

Bereits am Mittwochabend hatte die US-Notenbank Fed wie weithin erwartet ihren Leitzins beibehalten. Ihre Prognosen deuten allerdings auf eine womöglich weitere Zinsanhebung noch in diesem Jahr hin, wobei die Notenbanker nun für 2023 ein höheres Wachstum der heimischen Wirtschaft voraussagen als vor wenigen Monaten. Zudem scheint jetzt klar, dass die Zinsen noch länger als bisher erwartet hoch bleiben dürften: Für das kommende Jahr erwarten die Währungshüter weniger Zinssenkungen als bisher. "Es wird nun erwartet, dass eine straffere Geldpolitik für einen längeren Zeitraum notwendig ist, um die Inflationsaussichten nicht schlechter werden zu lassen", merkte David Page, Head of Macro Research bei Axa Investment Managers, an.

Die Kursverluste spiegelten auch die wachsenden Konjunkturrisiken angesichts der starken Renditeentwicklung an den Anleihemärkten wider - die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen markierte zuletzt einen neuen Höchststand seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2007. "Nun stellt sich die Frage, wie die Konjunktur auf die neue Renditewelt reagieren und ob es zu einem ausgedehnteren Konjunkturrückgang kommen wird", betonte Marktexperte Andreas Lipkow. "Es ist zu erwarten, dass die straffe Geldpolitik über einen längeren Zeitraum beibehalten wird und dass sie die Wirtschaftstätigkeit im Laufe der Zeit verlangsamt", skizzierte Tiffany Wilding, Ökonomin beim Vermögensverwalter Pimco, die möglichen Folgen.

Diese Skepsis zeigte sich auch an der Entwicklung der einzelnen Sektoren. "Positionen in zyklische Branchen werden weiter reduziert", so Lipkow. Überdurchschnittliche Verluste im europäischen Branchentableau erlitten Industrie- , Auto- und Bauwerte . Noch deutlicher bergab ging es für die konjunktursensiblen Rohstoff- und Chemieaktien .

Zu den größten Verlierern im EuroStoxx gehörte mit minus 3,2 Prozent Airbus -Aktien, die auch unter einer skeptischen Analyse litten. Die Schweizer Großbank UBS hatte ihre Verkaufsempfehlung bestätigt. Eine hauseigene Investorenveranstaltung mit Luftfahrt-Zulieferern habe die negative Einschätzung untermauert, schrieb Analyst Ian Douglas-Pennant. Der Flugzeugbauer müsse höhere Preise zahlen und die Zulieferer stellten sich auf niedrigere Produktionsziele ein.

In London brachen die Aktien von Ocado um knapp 20 Prozent ein, nachdem Exane BNP Paribas sie abgestuft hatte. Die Bank verwies auf Sorgen wegen des nur mäßigen Wachstums im Einzelhandelsgeschäft des Technologiedienstleisters./gl/nas