TOULOUSE (dpa-AFX) - Die Engpässe in den Lieferketten bremsen den weltgrößten Flugzeugbauer Airbus weiter aus. Konzernchef Guillaume Faury verschiebt den geplanten Ausbau der Mittelstreckenjet-Produktion deshalb weiter in die Zukunft. Die Rekordrate von monatlich 75 Jets aus der Modellfamilie A320neo soll nun erst 2026 erreicht werden und damit ein Jahr später als ursprünglich geplant. Auch für das laufende Jahr plant der Manager vorsichtig: Er rechnet mit der Auslieferung von rund 720 Verkehrsflugzeugen - und damit so vielen, wie ursprünglich schon für 2022 angepeilt. Da hatte der Dax -Konzern wegen fehlender Teile und anderer Probleme netto nur 661 Maschinen geschafft.

Der Finanzmarkt reagierte zunächst dennoch positiv. Die Airbus-Aktie stieg kurz nach dem Handelsstart um zwei Prozent. Branchenexpertin Chloe Lemarie vom Analysehaus Jefferies zeigte sich von den Airbus-Finanzzahlen des vergangenen Jahres am Morgen positiv überrascht. Auch der Geschäftsausblick stimme zuversichtlich, abgesehen von der Prognose für den freien Barmittelzufluss.

Mit der Anpassung der Produktionspläne fügt sich Airbus-Chef Faury den Realitäten. "Wir passen unsere Produktion den Lieferkapazitäten an", sagte der Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns bei der Vorlage der Jahresbilanz für 2022 am Donnerstag in Toulouse. Die Lieferkette habe sich nicht so schnell erholt wie erwartet. Nach dem Einbruch des Flugverkehrs zu Beginn der Corona-Pandemie und der finanziellen Notlage vieler Airlines hatte Airbus seine Flugzeugproduktion im Jahr 2020 deutlich gedrosselt, dann aber wieder ein gutes Stück hochgefahren.

Schon Anfang Dezember hatte Faury angekündigt, die Produktionspläne für die stark gefragte A320neo-Reihe noch einmal zu überarbeiten. Jetzt wurde er konkret: Die Produktionsrate von monatlich 65 Jets soll nun erst Ende 2024 erreicht werden, nachdem er den Plan im vergangenen Sommer bereits auf Anfang 2024 verschoben hatte. Die zuvor für das Jahr 2025 angepeilte Marke von 75 Maschinen pro Monat fasst der Manager jetzt für 2026 ins Auge. Schon im Dezember hatte er allgemeiner von "Mitte des Jahrzehnts" gesprochen. Vor der Pandemie hatte die Produktion der Reihe bei etwa 60 Jets pro Monat gelegen.

Vor allem bei der A320neo-Familie sitzt Airbus auf einem prall gefüllten Auftragsbuch. Die Produktion ist auf Jahre hinaus ausgebucht. Wer heute einen solchen Jet bestelle, erhalte ihn frühestens im Jahr 2029, hatte Verkaufschef Christian Scherer im Januar erklärt. Konkurrent Boeing aus den USA kämpft unterdessen mit hausgemachten Problemen bei mehreren Flugzeugtypen, seit sein Konkurrenzmodell 737 Max ab März 2019 nach zwei tödlichen Abstürzen rund 20 Monate lang weltweit nicht abheben durfte.

Dabei hat die Nachfrage nach neuen Jets nach dem Einbruch in der Corona-Krise längst wieder angezogen. "Dank des zunehmenden Flugverkehrs und der Rückkehr der Airlines zu ihren langfristigen Flottenplanungen konnte sich die Branche 2022 weiter erholen", sagte Faury. Erst diese Woche bestellte die Fluggesellschaft Air India auf einen Schlag insgesamt 470 Maschinen bei den beiden großen Herstellern und landete damit den größten Flugzeugkauf der Luftfahrtgeschichte. Der größte Teil des Auftrags ging mit 250 Jets an Airbus.

Gefragt sind inzwischen auch wieder neue Großraumjets für den Langstreckenverkehr, der besonders stark unter der Pandemie und den weltweiten Reisebeschränkungen gelitten hatte. Airbus will die Produktion seines jüngsten Großraummodells A350 von derzeit sechs Stück pro Monat nun bis Ende 2025 auf monatlich neun Jets hochfahren. Die Produktion der etwas kleineren A330neo soll wie geplant von zuletzt drei Exemplaren pro Monat bis zum Jahr 2024 auf vier Stück wachsen.

Im abgelaufenen Jahr steigerte Airbus seinen Umsatz trotz der Probleme um 13 Prozent auf knapp 58,8 Milliarden Euro. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) legte um 16 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro zu und übertraf damit sowohl das Ziel des Managements als auch die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten.

Für 2023 fasst Faury einen Anstieg des bereinigten operativen Gewinns auf rund sechs Milliarden Euro ins Auge. Der freie Barmittelzufluss vor Fusionen, Übernahmen und Kundenfinanzierungen dürfte jedoch deutlich zurückgehen: Die Airbus-Führung rechnet hier mit rund drei Milliarden Euro, nachdem der Konzern 2022 hier fast 4,7 Milliarden erreicht hatte.

Unter dem Strich blieb im vergangenen Jahr mit 4,25 Milliarden Euro rund ein Prozent mehr Gewinn übrig als im Vorjahr, obwohl Airbus wegen absehbar steigender Kosten für den Militärtransporter A400M fast eine halbe Milliarde Euro zur Seite legte. Den Anteilseignern des Konzerns winkt nun eine höhere Dividende: Die Ausschüttung soll im Vergleich zum Vorjahr von 1,50 auf 1,80 Euro je Aktie steigen und damit etwas stärker als von Analysten geschätzt.

Rechtzeitig vor der Bilanzvorlage hat Airbus einen Nachfolger für Finanzchef Dominik Asam gefunden, der im März zum Softwarekonzern SAP wechselt. Den Posten übernimmt Thomas Toepfer, derzeit noch Finanzvorstand des deutschen Kunststoffkonzerns Covestro . Er wechselt aber erst zum 1. September zu Airbus, wie beide Unternehmen am Mittwochabend mitgeteilt hatten./stw/nas/mis