BERLIN (dpa-AFX) - Die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, drängt die Bundesländer zum Handeln bei steigenden Corona-Zahlen. "Überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, müssen die Länder mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren", sagte Johna den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Länder müssten "auf der Basis eines verlässlichen Echtzeit-Monitorings entscheiden, wie das Infektionsgeschehen besser eingedämmt werden kann, um die Krankenhäuser nicht zu überlasten".

Auch der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb hält demnächst stärkere Schutzmaßnahmen für notwendig. "Die Empfehlung oder die Pflicht zum Tragen von Masken werden wir in wenigen Wochen wieder brauchen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Abstandsregeln bei großen Veranstaltungen, in Theatern und Kinos, benötigen wir bald wieder zurück." Das persönliche Verhalten müsse im Winter wieder stärker auf Corona ausgerichtet werden. "Wir brauchen wieder eine höhere Impfbereitschaft und eine größere Vorsicht."

Es sei zwar gut, dass Corona in der Öffentlichkeit nicht mehr die Dramatik wie noch vor ein oder zwei Jahren einnehme, da heute viele Menschen geimpft seien. "Aber es ist falsch, dass Corona jetzt fast gänzlich aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden ist - das muss sich schnell ändern", so Zeeb.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck warnte allerdings, "zu glauben, dass eine Maskenpflicht jetzt ein Allheilmittel ist, dass wir dadurch wieder eine bessere Bekämpfung der Infektionszahlen haben". Das sei wahrscheinlich nicht der Fall, sagte er in der Sendung "RTL Direkt" am Mittwochabend.

Angesichts wieder steigender Corona-Zahlen wird bereits in den ersten Bundesländern über verschärfte Maßnahmen nachgedacht. So waren am Mittwoch Überlegungen bekanntgeworden, in Berlin demnächst die Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden wieder einzuführen. Im Saarland mit der zuletzt bundesweit höchsten Sieben-Tage-Inzidenz setzte die Regierung dagegen zunächst auf einen Appell.

Mit Blick auf die Situation in den Krankenhäusern sagte die Marburger-Bund-Vorsitzende Johna: "Das Personal geht jetzt schon wieder auf dem Zahnfleisch, ich mag mir nicht ausmalen, wie die Situation ist, wenn der Belegungsdruck auch durch viele Covid-19-Fälle weiter zunimmt oder sich gar eine zusätzliche Influenzawelle aufbaut."

Die Belegung mit positiv auf Corona getesteten Patienten sei auf den Normalstationen gegenüber der Vorwoche um die Hälfte gestiegen, auch auf den Intensivstationen sehe man wieder mehr Covid-19-Patienten. Das alles belaste das Personal, die Isolationsnotwendigkeiten bänden Zeit und Bettenkapazitäten zusätzlich. "Schon jetzt sind viele Notaufnahmen überlastet, die Rettungsleitstellen haben in manchen Bundesländern Schwierigkeiten für Patienten in Rettungswagen freie Kapazitäten zu finden", schilderte Johna.

Streeck sagte, es gebe jeden Herbst und Winter immer eine extreme Belastung in den Krankenhäusern. "Das ist einfach die Husten-, Schnupfenwelle, das sind die Erkältungskrankheiten, die da wieder kommen." Man müsse natürlich genau auf die Krankenhäuser hören und schauen, was machbar sei.

Zuletzt hatte sich bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft bei stark steigenden Corona-Zahlen für strengere Schutzmaßnahmen wie etwa die Maskenpflicht in Innenräumen ausgesprochen. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die Bundesländer am Mittwoch aufgerufen, die Möglichkeiten für Corona-Maßnahmen im geänderten Infektionsschutzgesetz zu nutzen, "insbesondere die Maskenpflicht in den Innenräumen".

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier, forderte eine "angepasste Impfkampagne" für die zweite Corona-Auffrischungsimpfung. "Die kalte Jahreszeit hat begonnen, der angepasste Impfstoff ist in ausreichender Menge vorhanden: Spätestens jetzt sollte die Impfquote in die Höhe schießen - tut sie aber leider nicht", sagte Beier dem RND.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine zweite Auffrischungsimpfung Menschen ab 60 Jahren und Gruppen mit Risikofaktoren. Nach Daten des Robert Koch-Instituts haben sich bislang gut 28 Prozent der Über-60-Jährigen einen zweiten Booster spritzen lassen./sku/DP/zb