LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Hohe Abschreibungen haben den Kunststoffkonzern Covestro 2022 überraschend in die roten Zahlen gerissen. Auch im Tagesgeschäft schnitt das Dax -Unternehmen wegen hoher Gas- und Energiekosten und einer schwachen Nachfrage schlechter ab als gedacht. Kurz vor dem Jahresende kam auch noch ein Schaden an der Chlorelektrolyse des Unternehmens in Uerdingen hinzu, der die Produktion von harten Kunststoffen und dem Hartschaumvorprodukt MDI beeinträchtigte. Wegen des Verlustes 2022 dürfte die Dividende nun wackeln. Für den Aktienkurs ging es bergab.

Die Papiere fielen am Montagvormittag um gut zwei Prozent auf 39,53 Euro. Nach der Erholung der ersten Handelstage 2023 notieren sie damit im bisherigen Jahresverlauf aber immer noch rund 8 Prozent im Plus, womit sie dem Dax nur ein wenig hinterherhinken. 2022 waren sie gleichwohl mit einem Kursverlust von rund einem Drittel unter den größten Dax-Verlierern.

Unter dem Strich fiel bei den Leverkusenern 2022 laut einer Mitteilung vom Freitagabend auf Basis vorläufiger Zahlen ein Verlust von etwa 300 Millionen Euro an. Analysten hatten im Schnitt mit einem Gewinn von 420 Millionen Euro gerechnet, nach gut 1,6 Milliarden Euro Gewinn 2021. Wesentliche Gründe für den Verlust 2022 sind Wertberichtigungen latenter Steuerforderungen von 250 Millionen Euro sowie Abschreibungen auf Anlagevermögen von 470 Millionen Euro.

Damit wackelt die Dividende, denn eigentlich schüttet Covestro 35 bis 55 Prozent des Konzernergebnisses an die Aktionäre aus. Für 2021 hatten die Anteilseigner noch 3,40 Euro je Aktie erhalten. Für 2022 hatten Analysten laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg zuletzt 1,75 Euro je Aktie erwartet.

"Die Geschäftsentwicklung von Covestro im vergangenen Jahr wurde deutlich von den drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, der hohen Inflation und einer sich abschwächenden Weltwirtschaft beeinflusst", sagte Vorstandschef Markus Steilemann laut Mitteilung. Finanzchef Thomas Toepfer führte zudem das "rezessive Umfeld" und die außerplanmäßigen Abschreibungen an und verwies auf die schwierige wirtschaftliche Lage in Europa.

So müssen Unternehmen die in der Bilanz erfassten Werte von Anlagen berichtigen, wenn sie aus heutiger Sicht dauerhaft in Summe deutlich weniger Geld abwerfen werden als im Anlagenwert reflektiert. Das kann etwa bei einem deutlichen Rückgang der Absatzpreise der Fall sein.

Überraschend kommt der Schritt aber nur bedingt. So habe Covestro bereits möglichen Wertberichtigungsbedarf signalisiert, erklärte Analystin Georgina Fraser von der Bank Goldman Sachs. Und Analyst Peter Spengler von der DZ Bank hatte bereits mit einer nicht zahlungswirksamen Abschreibung von rund 400 Millionen Euro gerechnet.

Aber auch im Tagesgeschäft stockte es bei dem Dax-Konzern. Das vorläufige Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) liegt mit rund 1,61 Milliarden Euro sowohl unter dem Unternehmensausblick von 1,7 bis 1,8 Milliarden als auch unter der Markterwartung von knapp 1,7 Milliarden. Damit ergibt sich für das Schlussquartal ein operativer Verlust von rund 45 Millionen Euro. Ohne die Auflösung von Bonus-Rückstellungen wäre das Minus vom Schlussquartal nochmals 100 Millionen Euro höher ausgefallen, erklärte Analyst Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan.

Wegen der Folgen der hohen Gas- und Energiepreise und einer zurückhaltenderen Nachfrage war Covestro erst im Herbst bei den Prognosen für 2022 vorsichtiger geworden. Die Nachfrage nach den Produkten des Konzerns litt dabei insbesondere unter einem schwachen Konjunkturumfeld in Europa, wo die Geschäfte des Herstellers von Schaumstoffvorprodukten, harten Kunststoffen und Lackzusätzen mit der Elektro-, Möbel- und Bauindustrie schlechter liefen. Steilemann hatte damals zudem betont, dass es etwas dauern werde, bis der Rückgang der Gaspreise zum Jahresende positiv aufs Ergebnis durchschlagen wird.

Den Umsatz steigerte Covestro 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund 13 Prozent auf den Rekordwert von knapp 18 Milliarden Euro. Der freie operative Barmittelzufluss von etwa 130 Millionen Euro übertraf den Angaben zufolge sowohl das ebenfalls eingedampfte Ziel des Vorstands als auch die Prognosen von Experten. Den Cashflow dürfte dabei aber auch ein aggressiver Abbau von Lagerbeständen gestützt haben, so JPMorgan-Analyst Udeshi. Solche Maßnahmen setzen liquide Mittel frei.

Den Geschäftsbericht will Covestro am 2. März veröffentlichen. Dann dürfte der Vorstandsvorsitzende Steilemann auch einen Ausblick für 2023 wagen.

Im aktuellen Umfeld sei eine Prognose der Geschäftsentwicklung aber sehr schwer, erklärte JPMorgan-Analyst Udeshi. Gleichwohl sei Covestro derart stark konjunkturabhängig, dass die Ergebnisse sich bei der schnellen Erholung der Weltwirtschaft ebenso rasch erholen könnten wie sie eingebrochen waren.

Goldman-Expertin Fraser gibt sich hierbei durchaus zuversichtlich: Die Öffnung Chinas nach der Corona-Pandemie und eine mögliche Aufstockung der Lagerbestände durch Covestro-Kunden ab dem zweiten Quartal gäben durchaus Anlass für einen gewissen Optimismus./mis/stw/nas/jha/