(neu: Absatz- und Auftragsbilanz 2023, aktualisierte Börsenreaktion)
ARLINGTON/WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach dem Beinahe-Unglück einer Boeing
Laut NTSB hatten Warnleuchten der Alaska-Maschine schon auf Flügen vor dem Zwischenfall auf Probleme mit dem Luftdruck an Bord hingewiesen. "Wir müssen in erster Linie herausfinden, was mit diesem Flugzeug passiert ist", sagte die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy am Montagabend in den USA. "Wenn wir ein größeres systemweites oder flottenweites Problem haben, werden wir eine dringende Sicherheitsempfehlung aussprechen, um eine Veränderung zu erreichen."
Bisher hat die US-Luftfahrtbehörde FAA gut 170 Exemplare der 737-9 Max an den Boden beordert und die Betreiber zu Inspektionen verpflichtet. Der Hersteller selbst bedauerte die Schwierigkeiten und sagte seinen Kunden Unterstützung zu.
Das herausgebrochene Teil ersetzt bei den Jets eine nicht benötigte Flugzeugtür. Den Ermittlern zufolge bewegte sich das Teil zunächst nach oben, bevor es sich mit einem lauten Knall löste. Nach Informationen der Website "The Air Current" wurden inzwischen in mindestens fünf Maschinen von United Airlines lose Befestigungsteile gefunden. Die Fluggesellschaft selbst berichtete von "Installationsproblemen".
"Wir haben die vier Bolzen, die das Bauteil an seiner vertikalen Bewegung hindern, noch nicht geborgen", sagte NTSB-Ingenieur Clint Crookshanks am Montagabend. "Wir haben noch nicht festgestellt, ob sie dort existierten." Das verlorene Rumpfteil wurde in einem Garten in der Stadt Portland (Oregon) entdeckt und soll nun untersucht werden.
Am Finanzmarkt kamen die Neuigkeiten schlecht an. Nachdem die Boeing-Aktie am Montag rund acht Prozent verloren hatte, lag sie am Dienstag zuletzt mit einem weiteren Prozent im Minus. Die Aktie des Rumpf-Zulieferers Spirit Aerosystems
Bei dem Zwischenfall am Freitag waren die 177 Menschen an Bord des Boeing-Jets weitgehend mit dem Schrecken davongekommen: Niemand saß direkt an dem herausgebrochenen Teil, und alle Passagiere waren im Steigflug noch angeschnallt.
Die US-Fluggesellschaft United besitzt 79 Flugzeuge des betroffenen Typs, Alaska 65. Beide Airlines begannen noch nicht mit den vorgeschriebenen Inspektionen, weil die nötigen Unterlagen noch formalisiert werden müssen. Sie bauten jedoch bereits Sitze aus und nahmen Innenverkleidungen ab, um an die Stelle am Rumpf zu kommen.
Fluggesellschaften wie Iceland Air aus Island und Lion Air aus Indonesien setzen die 737-9 Max zwar ebenfalls ein. Allerdings ist bei ihren Maschinen an diesen Stellen auf jeder Seite ein zusätzlicher Notausgang. Diese Variante ist von dem Startverbot und den Auflagen der FAA bisher nicht betroffen. Bei der kürzeren Version 737-8 Max gibt es diese Türöffnung nicht.
Laut der EU-Luftfahrtaufsicht EASA besitzen Airlines in den von ihr beaufsichtigten Staaten keine Maschinen in der fraglichen Ausführung. In Großbritannien sind nach Behördenangaben überhaupt keine Boeing 737-9 Max registriert. In Indonesien müssen die drei Boeing 737-9 Max von Lion Air auf Geheiß der nationalen Aufsicht dennoch vorerst am Boden bleiben - obwohl sie an der fraglichen Stelle Notausgänge haben.
Lion Air ist in Sachen 737 Max leidgeprüft. Im Herbst 2018 stürzte eine ihrer Maschinen vom Typ 737-8 Max ab, alle Menschen an Bord starben. Nach einem ähnlichen Absturz einer Maschine von Ethiopian Airlines im März 2019 verhängten Luftfahrtbehörden in aller Welt Startverbote für die 737 Max. Erst nach 20 Monaten und technischen Verbesserungen durften die Maschinen in den USA wieder abheben. In anderen Weltregionen erfolgte die Wiederzulassung noch später.
Das Desaster kostete Boeing Milliardensummen. Von der Krise hat sich der Konzern immer noch nicht erholt. 2019 verlor er die Position als weltgrößter Flugzeughersteller an den europäischen Airbus-Konzern - und hängt ihm bis heute hinterher.
Seither machte Boeing wiederholt mit Produktionsmängeln Schlagzeilen. Im Dezember wies der Konzern die Betreiber neuerer 737-Max-Jets an, die Steuerruder ihrer Maschinen auf lose Befestigungsteile zu überprüfen. In den Monaten zuvor hatte Boeing an vielen Jets der 737-Max-Reihe aufwendige Nacharbeiten vornehmen müssen, um Fehler seines Rumpf-Zulieferers Spirit auszumerzen.
Trotz der Probleme lieferte Boeing im vergangenen Jahr zehn Prozent mehr Flugzeuge aus als 2022. Insgesamt fanden 528 Passagier- und Frachtjets den Weg zu ihren Käufern, wie der Konzern am Dienstag mitteilte. Von der 737-Reihe - vor allem der Neuauflage Max - lieferte Boeing 396 Exemplare aus. Erst im Oktober hatte das Management die Zielmarke auf 375 bis 400 Jets der Reihe gesenkt.
An Aufträgen mangelt es dem Konzern dennoch nicht. 2023 holte er Bestellungen über 1456 Passagier- und Frachtjets herein. Nach Abzug von Stornierungen blieben Neuaufträge über 1314 Jets. Airbus will seine Absatz- und Auftragszahlen am Donnerstag (11. Januar) veröffentlichen. Boeings Finanzzahlen folgen am 31. Januar. Analysten rechneten bei dem US-Konzern zuletzt mit dem fünften Verlustjahr in Folge./stw/so/jsl/he