(Trump-Brief an Ausschuss ergänzt)
WASHINGTON (dpa-AFX) - Fast zwei Jahre nach dem Angriff auf das US-Kapitol hat der zuständige Untersuchungsausschuss den damaligen Präsidenten Donald Trump zu einer Aussage unter Eid vorgeladen. Es ist eine selten vorkommende Eskalation - und das kurz vor den wichtigen US-Kongresswahlen Anfang November. Die Vorladung könnte ein symbolischer Schritt bleiben. Denn es gibt zwar ein Verfahren, um säumige Zeugen wegen Missachtung des Kongresses vor Gericht zu bringen. Doch dem Ausschuss läuft wegen der Wahlen die Zeit davon.
Trump veröffentlichte als Reaktion am Freitag einen 14-seitigen Brief an den Ausschuss, in dem er dessen Arbeit verunglimpfte - ohne aber ein Wort darüber zu verlieren, wie er mit der Vorladung umgehen will.
Anhänger Trumps hatten das US-Parlamentsgebäude am 6. Januar 2021 erstürmt - direkt nach einem Auftritt des Republikaners. Der damalige Präsident wiegelte die Menge dabei mit falschen Behauptungen auf, dass ihm der Sieg gegen Herausforderer Joe Biden durch Betrug gestohlen worden sei. Er rief seine Anhänger auf, zum Protest vor das Kapitol zu ziehen, wo gerade der Wahlsieg Bidens offiziell besiegelt werden sollte. Fünf Menschen starben als Folge des Angriffs.
"Wir sind verpflichtet, Antworten direkt von dem Mann einzufordern, der das alles in Gang gesetzt hat", sagte die Vize-Vorsitzende des Ausschusses, die Republikanerin Liz Cheney, mit Blick auf die Vorladung. Sie machte keinen Hehl aus der Überzeugung, dass Trump die Verantwortung für die Attacke seiner Anhänger trage: "Er schickte sie zum Kapitol in dem Wissen, dass sie wütend sind, in dem Wissen, dass sie bewaffnet sind." Man müsse sicherstellen, dass nicht nur die "Fußsoldaten" bestraft würden, die das Kapitol gestürmt hätten. "Mit jedem Versuch, das Verhalten des Ex-Präsidenten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, untergraben wir die Grundfeste unserer Republik."
Einen Termin für eine Aussage Trumps unter Eid gibt es noch nicht. Sollte er der Vorladung nicht folgen - was viele Beobachter erwarten -, dann könnte das Repräsentantenhaus ihn wegen Missachtung des Kongresses beim Justizministerium anzeigen. Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon zum Beispiel wurde deswegen bereits verurteilt.
Allerdings wird die Zeit knapp. Am 8. November wird ein neues Repräsentantenhaus gewählt. Bis zum Jahresende - bevor im Januar das neugewählte Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufnimmt - muss der Ausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben. Und laut Umfragen und Analysen stehen die Chancen gut, dass die weitgehend zu Trump stehende Republikanische Partei bei der Wahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus erreicht. Dann dürften weitere Untersuchungen zu der Attacke ohnehin vom Tisch sein. Im Untersuchungsausschuss waren zuletzt nur zwei republikanische Abgeordnete aktiv: Cheney und Adam Kinzinger. Beide wurden von der Partei dafür scharf angegangen - und beide werden dem neuen Repräsentantenhaus nicht mehr angehören.
Trump kann zunächst auch seine Anwälte gegen die Vorladung vor Gericht schicken. Und selbst wenn Trump der Aufforderung folgen sollte, kann er die Aussage verweigern, zum Beispiel um sich nicht selbst zu belasten. Von diesem Recht hatten bei Befragungen durch den Ausschuss mehrere seiner Vertrauten Gebrauch gemacht.
Bereits in einer ersten Reaktion am Donnerstag wetterte Trump gegen den Ausschuss und warf die Frage auf, warum das Gremium ihn nicht schon vor Monaten um Aussage gebeten, sondern bis zum Schluss gewartet habe. Am Freitag legte er nach und veröffentliche in seinem hauseigenen Online-Netzwerk Truth Social den Brief an den Ausschuss, in dem er die Arbeit der Runde als parteiisch, lügnerisch und reinen "Show-Prozess" verunglimpfte.
Auf mehreren Seiten erneuerte er seine völlig unbelegten Wahlbetrugsbehauptungen. Trump spottete, der Ausschuss habe nur miese Fernsehquoten erreicht. Außerdem brüstetet er sich damit, wie groß die Menschenmenge gewesen sei, vor der er an jenem 6. Januar 2021 gesprochen habe. Der Ausschuss habe das nicht thematisiert, beklagte er bitterlich - und hängte Fotos der Menschenmenge an. Kein Wort aber dazu, ob er der Vorladung folgen will oder nicht.
Der TV-Sender Fox News berichtete unter Berufung auf Vertraute des Ex-Präsidenten, Trump gefalle die Idee ganz gut, vor dem Ausschuss auszusagen und dabei darüber zu sprechen, wie "korrupt" die Präsidentenwahl und die Untersuchungen zum 6. Januar gewesen seien.
Der frühere New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara kommentierte, dass die Vorladung vermutlich ein symbolischer Schritt bleiben werde. Unter anderem dauere es Monate, eine Verurteilung wegen Missachtung des Kongresses zu erreichen. Und im Fall von Bannon etwa habe man damit immer noch keine Aussage vor dem Ausschuss erreichen können.
Am Donnerstag präsentierte der Ausschuss neue Dokumente, die zeigen, dass der mit Trumps Sicherheit betraute Secret Service bereits Ende Dezember auf Angriffspläne unter den Anhängern hingewiesen wurde. Aus dem Ausschuss übergebenen internen Nachrichten geht zudem hervor, dass der Secret Service bei seiner Überwachung auch feststellte, dass viele der anwesenden Trump-Anhänger bei dem Auftritt bewaffnet gewesen seien. Nach Sonnenuntergang könne es "sportlich" werden, schrieb etwa ein Secret-Service-Mitarbeiter. Dennoch hätten das Weiße Haus und Trump nicht versucht, den Auftritt oder den Marsch auf das Kapitol zu stoppen, betonte der Ausschuss.
Es gab auch weitere Hinweise darauf, dass Trump aus dem Weißen Haus zu seinen Anhängern am Kapitol fahren wollte. Der Secret Service sei dagegen gewesen mit dem Argument, dass man die Sicherheit des US-Präsidenten nicht hätte garantieren können. Mehrere Vertraute sagten unter Verweis auf Gespräche mit Trump aus, er habe gewusst, dass er die Präsidentenwahl in Wirklichkeit verloren habe.
In den vergangenen Monaten hatte der Ausschuss bereits zum Teil erstaunliche Details zutage befördert. Zahlreiche Zeugen belasteten Trump dabei schwer. Nun waren unter anderem erstmals Aufnahmen zu sehen, in denen die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, während der Attacke in einem Schutzraum per Telefon versuchte, Unterstützung durch die Nationalgarde oder Einheiten des Verteidigungsministeriums zu organisieren. Trump habe unterdessen - auch entgegen Aufforderungen von Vertrauten - stundenlang nichts unternommen, um seine Anhänger zu stoppen, betonte der Ausschuss./so/DP/stw