(Neu: Schlusskurs, Begründung für den Kursanstieg am Nachmittag)

HAMBURG (dpa-AFX) - Der hohe Bestand an alten Projekten hat den Windturbinen-Hersteller Nordex zum Jahresauftakt weiter belastet. Im laufenden Quartal und der zweiten Jahreshälfte soll es aber besser werden. Das Hamburger Unternehmen leidet wie die gesamte Branche seit vielen Monaten unter Lieferkettenproblemen und hohen Kosten und muss momentan viele unrentable Aufträge abarbeiten, bei denen die Ausgaben nicht ausreichend an die Kunden weitergegeben werden können.

Zwar installierte Nordex im ersten Quartal mehr Windenergieanlagen und leistungsstärkere Turbinen, die Profitabilität verbesserte sich aber trotz eines kräftigen Umsatzanstiegs kaum. Nordex-Chef Jose Luis Blanco sprach laut Mitteilung vom Freitag von einem erwartungsgemäßen Start ins Jahr. Analysten und Anleger waren zunächst enttäuscht. Die im MDax notierte Aktie gab im frühen Handel deutlich ins Minus, drehte aber kräftig ins Plus.

Händler begründeten dies unter anderem mit positiv aufgenommenen Aussagen des Finanzvorstands Ilya Hartmann bei der Analystenkonferenz am Nachmittag. Einer Studie von Morgan Stanley zufolge sprach er davon, dass die Geschäfte im zweiten Quartal deutlich besser laufen sollten und sich die Margen im zweiten Halbjahr verbessern sollten.

Morgan-Stanley-Experte Ben Uglow wertete die Aussagen positiv für die ganze Branche - und so legten auch die Papiere von Konkurrenten wie zum Beispiel des dänischen Herstellers Vestas zu. Aber auch die Anteile des Dax-Unternehmens Siemens Energy , zu dem unter anderem der Windanlagenhersteller Siemens Gamesa gehört, verteuerten sich am Nachmittag deutlich. Siemens Energy legt am Montag die Zahlen für das vergangene Quartal vor.

Citigroup-Experte Vive Midha hob in einer Studie positiv hervor, dass die Marge bei neuen Aufträgen im Einklang mit dem Unternehmensziel steht. Am Morgen waren die meisten Experten noch skeptisch beziehungsweise zurückhaltend. So bewertete Goldman-Sachs-Analyst Ajay Patel das Zahlenwerk in einer ersten Einschätzung als schwach.

Und auch Constantin Hesse vom Analysehaus Jefferies sprach von einem enttäuschenden Jahresstart. Die Neuaufträge sprächen aber für eine steigende Profitabilität, merkte der Experte an. Darauf setzt auch Nordex-Chef Blanco: Er geht weiterhin von einem stärkeren zweiten Halbjahr aus. Diese Perspektive war aber bereits bekannt und konnte so am Kapitalmarkt auch nicht für eine positive Überraschung sorgen.

Nordex hält derweil an seinen Jahreszielen fest. Demnach soll 2023 die Marge gemessen am Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bei minus zwei bis plus drei Prozent liegen. Nach den ersten drei Monaten wirkt dieses Ziel allerdings noch in weiter Ferne, denn die Betriebsmarge lag bei minus 9,4 Prozent, nach minus 9,5 Prozent ein Jahr zuvor. 2022 hatte die Marge dank einer Verbesserung im Schlussquartal noch bei minus 4,3 Prozent gelegen.

Der Umsatz stieg im ersten Quartal nun um gut 30 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Unterm Strich schrieb Nordex fast 215 Millionen Euro Verlust - über 40 Prozent mehr als im Vorjahresquartal, in dem ein Fehlbetrag von knapp 152 Millionen Euro angefallen war.

An der Börse sorgten die Zahlen und die Prognose deshalb zunächst für Ernüchterung. Der Kurs sackte am Vormittag um knapp sechs Prozent ab, drehte aber im Laufe des Handels deutlich im Plus. Bis zum Handelsende gewann sie 5,46 Prozent auf 11,30 Euro zu und war damit der beste MDax-Wert . Sie schloss zudem 12 Prozent über dem Tagestief. Mit dem Anstieg konnte das Papier zudem den Jahresverlust auf rund 14 Prozent reduzieren.

Noch deutlicher ist das Minus seit dem Mehrjahreshoch vor etwas mehr als zwei Jahren. Damals hatte die Aktie - bereinigt um die Effekte von Kapitalmaßnahmen wie die Ausgabe neuer Aktien - zeitweise mehr als 25 Euro gekostet, nachdem sie im Crash infolge der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 bis auf rund 5 Euro gefallen war.

Nordex wurde 2001 kurz vor dem Zusammenbruch der Dotcom-Blase an die Börse gebracht und hat eine bewegte Kapitalmarkthistorie hinter sich. Nach einem Höhenflug zu Beginn, in dem der Kurs bis auf um Kapitalmaßnahmen bereinigtes Hoch von rund 97 Euro gestiegen war, folge der Absturz bis auf fast einen Euro im Jahr 2004. Seitdem ging es mit zum teils heftigen Ausschlägen unter dem Strich wieder deutlich nach oben.

Aktuell ist das Unternehmen mit knapp 2,7 Milliarden Euro bewertet. Größter Aktionär ist der spanische Bau- und Immobilienkonzern Acciona, der fast die Hälfte der Anteile hält. Acciona hatte vor einigen Jahren sein Windanlagengeschäft an Nordex verkauft und hält seitdem Anteile. Da der spanische Großaktionär immer wieder Geld zuschießen muss oder Kredite in Aktien umwandelte, stieg der Anteil peu à peu an./lew/tav/stk/zb/ngu