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MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die Probleme von Siemens Energy mit seiner Windkrafttochter Siemens Gamesa reißen nicht ab. Qualitätsprobleme bei bereits installierten Windrädern werden vermutlich über die nächsten Jahre hinweg Kosten von mehr als einer Milliarde Euro verursachen. Die Gewinnwarnung kam am Donnerstagabend und zog die erst im Mai gesenkte Gewinnprognose zurück - die für das laufende Jahr ohnehin schon Hunderte Millionen Verlust vorsah. Der Kurssturz der Aktie folgte am Freitagmorgen und fiel mit rund einem Drittel drastisch aus. In der Spitze waren es fast 36 Prozent.

Siemens Energy versucht seit Jahren, Gamesa in den Griff zu bekommen. Inzwischen haben die Münchner die spanische Tochter komplett übernommen und integrieren sie. Doch der im März vergangenen Jahres als Sanierer entsandte Jochen Eickholt findet bei Gamesa immer neue Probleme und kämpft gleichzeitig mit Effizienzprogrammen und dem schwierigen Hochlauf der Produktionskapazitäten für das Offshore-Geschäft. Bei beidem geht es schlechter als erwartet voran - was ebenfalls zur aktuellen Gewinnwarnung beitrug.

Sowohl Eickholt als auch Konzernchef Christian Bruch wurden am Freitag deutlich: Der Rückschlag sei bitter und das Ausmaß der Probleme größer als erwartet, sagte Bruch und kritisierte die Fehlerkultur bei Gamesa. Dort sei zu viel unter den Teppich gekehrt worden. Und Eickholt erinnerte an seine frühere Aussage, dass es bei Gamesa keine Probleme gebe, die er nicht andernorts schon mal gesehen habe - um dann hinzuzufügen: "Das würde ich heute so nicht mehr sagen."

Entdeckt wurden die Qualitätsprobleme bei den Windrädern bei einer Überprüfung, nachdem es mehr Ausfälle als erwartet gegeben hatte. Noch ist nicht klar, wie viele Reparaturen an Rotorblättern oder Lagern nötig sein werden. Es müsse nicht zwangsläufig zum Ausfall kommen, sagte Eickholt. Doch durch die lange Lebensdauer der Windräder werden die Kosten voraussichtlich über viele Jahre hinweg anfallen.

Dabei galt Gamesa bei Gründung und Börsengang von Energy im Jahr 2020 eigentlich als der zukunftsträchtige Teil des Konzerns, der ja auch ein großes Geschäftsfeld mit konventioneller Kraftwerkstechnik hat. Auch Bruch sagte am Freitag, als er seinen Job angetreten sei, habe er gedacht, Gamesa werde das kleinere Problem sein. Bislang hat er sich damit getäuscht. Bereits mehrfach hat Siemens Gamesa den Münchnern in den vergangenen Jahren die Planungen verhagelt und die Gewinne aus anderen Konzernteilen wie konventioneller Kraftwerkstechnik und Stromübertragungstechnik aufgezehrt.

Dennoch betonte Bruch erneut seinen Glauben an die Windkraft: Sie werde für die Energiewende gebraucht und müsse profitabel gemacht werden. Nach den neuesten Problemen wird das allerdings länger als geplant dauern.

Nach den neuesten Hiobsbotschaften hat das Management allerdings nicht mehr beliebig Zeit. Das Urteil der Börse fiel am Freitag bereits hart aus und Händler bemängelten eine "totale Unsicherheit". Ein Kurseinbruch von mehr als 30 Prozent kommt bei einem Dax -Wert sehr selten vor. Umgerechnet in Börsenwert bedeutet der Absturz ein Minus von rund sechs Milliarden Euro.

Die Siemens-Energy-Aktie war vom Rekordtief von etwas mehr als 10 Euro im Oktober 2022 wieder bis auf fast 25 Euro Ende Mai gestiegen. Im Juni war der Kurs bereits wieder etwas gebröckelt, bevor die zurückgezogene Prognose nun für das Abrutschen auf das Niveau von Ende 2022 führte.

Betroffen von dem immensen Kursverlust ist auch die frühere Mutter Siemens , die noch etwas mehr als 30 Prozent der Anteile hält. Die Anteile des Dax-Schwergewichts verloren im Vormittagshandel mehr als zwei Prozent.

Dazu, ob der Aufsichtsrat angesichts der anhaltenden Probleme noch Geduld habe, äußerte sich Bruch am Freitag nicht. Der Chef des Gremiums, Joe Kaeser, hat allerdings erst Anfang des Monats im "Euro am Sonntag" über Bruchs Team gesagt: "Wenn sie es nicht schaffen, schafft es keiner."/ruc/DP/jha