(neu: Weitere Details und Aussagen von Unternehmenschef Papperger, aktueller Kurs)

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Als Folge des Ukraine-Kriegs sind die Auftragsbücher des Rüstungskonzerns Rheinmetall so voll wie noch nie. Wie Deutschlands größte Waffenschmiede am Donnerstag in Düsseldorf mitteilte, belief sich der sogenannte Backlog Ende Juni auf 48,6 Milliarden Euro und damit fast zwei Drittel höher als ein Jahr zuvor. Beim Backlog geht es um den Auftragsbestand, um erwartete Abrufe aus Rahmenverträgen und um andere Kundenvereinbarungen.

Das Volumen der sogenannten Nomination - also des Auftragseingangs und der neu abgeschlossenen Rahmenverträge, bei denen ein Geschäft in einem bestimmten Umfang möglich ist - wurde im ersten Halbjahr auf 15,4 Milliarden Euro sogar mehr als verdoppelt. Rheinmetall hatte bereits Ende Juli vorläufige Zahlen vorgelegt.

Berenberg-Analyst George McWhirter bezeichnete das detaillierte Zahlenwerk als ermutigend. Zudem habe Rheinmetall die Prognose der Nomination von 40 Milliarden Euro im laufenden Jahr nicht nur bekräftigt, sondern auch besser erläutert. Obendrein sei der freie Barmittelfluss besser gewesen als am Markt erwartet.

Die Rheinmetall-Aktie stieg kurz vor Handelsende fast drei Prozent auf 508 Euro und gehörte zu den stärksten Werten im Dax . Damit bewegte sich der Kurs an der oberen Begrenzung des seit April laufenden Abwärtstrends, der den Kurs vom Rekordhoch bei knapp 572 Euro bis auf 437,50 Euro Anfang der Woche gedrückt hatte. In der jüngsten Kursschwäche sieht JPMorgan-Analyst David Perry eine gute Kaufgelegenheit. Er lobte das zweite Quartal des Rüstungskonzerns als stark.

Im laufenden Jahr hat Rheinmetall immer noch drei Viertel an Börsenwert gewonnen. Seitdem Russland im Februar 2022 die Ukraine angegriffen hat, hat sich der Kurs mehr als verfünffacht. Vor dem Krieg hatte der Kurs noch unter der Marke von 100 Euro gelegen. Die Marktkapitalisierung beläuft sich inzwischen auf 22 Milliarden Euro. Wegen des starken Kursanstiegs ist Rheinmetall seit März 2023 im Dax gelistet.

Wachstumstreiber bei Rheinmetall ist der Ukraine-Krieg, Nato-Staaten bestellen seither viel mehr als zuvor. Außerdem liefert das Unternehmen auch Militärgüter an die Ukraine, darunter Panzer, die modernisiert wurden, und Artilleriemunition. Rheinmetall ist weltweit einer der wichtigsten Produzenten von 155-Millimeter-Geschossen - also jenes Kalibers, das in der Artillerie zum Einsatz kommt und massenhaft von der Ukraine gebraucht wird.

Im Konzernbereich Waffen und Munition konnte der Backlog sogar auf rund 19 Milliarden Euro mehr als verdreifacht werden. Andere Bereiche, in dem etwa Militärlastwagen hergestellt werden, legten ebenfalls zu, aber längst nicht so stark wie das Munitionssegment.

Unabhängig vom Krieg in der Ukraine rechnet Konzernchef Armin Papperger mit einer langfristig hohen Nachfrage nach Munition und anderen Militärgütern. "Selbst, wenn morgen der Krieg aufhören würde - und ein Ende dieses verrückten Ukraine-Krieges will jeder -, müssten wir die Lager in der Ukraine noch auffüllen, und dafür brauchen die Ukrainer die Hilfe von der EU und von den USA", sagte der Manager in Düsseldorf. Der Bedarf anderer Staaten werde ebenfalls hoch bleiben.

Das bedeute, dass das Geschäft mit der Bundeswehr und ihren Partnern mindestens zehn, vielleicht sogar fünfzehn Jahre sehr stabil sein werde. Rheinmetall stellt unter anderem Geschützrohre her, die in der Artillerie in der Ukraine zum Einsatz kommen.

Papperger wies auf die intensiven Artilleriegefechte in der Ukraine und den damit verbundenen Verschleiß hin - ein Geschützrohr hält nur eine bestimmte Anzahl von Schüssen. Angesichts der hohen Nachfrage - nicht nur von der Ukraine, sondern auch von westlichen Staaten - habe man die Herstellungskapazitäten solcher Stahlrohre binnen drei Jahren mehr als verdreifacht. Und dennoch werde die Rohrproduktion seiner Firma für die nächsten zehn Jahre voll ausgelastet sein, ist Papperger überzeugt.

Deutschlands größter Rüstungskonzern stellt neben Artillerie und Munition auch Panzer, Flugabwehr und Militärlastwagen her. Die Zentrale ist in Düsseldorf und das größte Werk im niedersächsischen Unterlüß. Der Ukraine hat Rheinmetall auch alte Kampfpanzer und Schützenpanzer bereitgestellt, die modernisiert worden waren. Bezahlt wurde die Firma hierbei von der Bundesregierung

Im ersten Halbjahr fielen die Geschäftszahlen von Rheinmetall im ersten Halbjahr alles in allem positiv aus. Wie seit einigen Tagen bereits bekannt, stieg der Umsatz im ersten Halbjahr um ein Drittel auf rund 3,8 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis wurde auf 404 Millionen Euro fast verdoppelt. Betrachtet man nur das zweite Quartal, so war das Wachstum sogar noch stärker als zum Jahresauftakt. Die gesteigerte Profitabilität führt Rheinmetall vor allem auf den Zukauf von Expal zurück. Der spanische Munitionshersteller wurde zum 1. August vergangenen Jahres übernommen.

"So stark sind wir noch nie gewachsen", sagte Papperger. Auch in den kommenden Jahren erwarte das Management jährliche Umsatzzuwächse in der Größenordnung von rund zwei Milliarden Euro. "Diese überaus positive Entwicklung ist nur möglich, weil wir früh investiert haben und seit 2014 - dem Jahr des Überfalls auf die Krim - einen strategischen Plan verfolgen", sagte der Manager. Man habe die Kapazitäten massiv ausgeweitet, Zukäufe getätigt und neue Werke gebaut.

Wie seit Juli bekannt, will Rheinmetall im laufenden Jahr mindestens die Umsatz- und Ergebnisprognose erreichen. Dabei peilt die Unternehmensführung einen Umsatz von rund 10 Milliarden Euro sowie eine operative Ergebnismarge von 14 bis 15 Prozent an - jeweils inklusive Übernahmen. Dabei untermauerte Papperger am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Analysten das "mindestens", indem er sagte, dass die Marge wahrscheinlich das obere Ende der Spanne erreichen werde. Im zweiten Quartal lag die Marge bei 12,1 Prozent./wdw/DP/niw/lew/mis/jha/he