(neu: Aktienkurs, Details aus Pressekonferenz des Bundeswirtschaftsministeriums)

DÜSSELDORF/BERLIN/ESPOO (dpa-AFX) - Die Bundesregierung, der Energiekonzern Uniper und der bisherige Uniper-Mehrheitseigentümer Fortum haben sich auf eine weitgehende Verstaatlichung von Uniper verständigt. Am Mittwoch wurde ein entsprechendes Stabilisierungspaket für Uniper unterzeichnet, wie das Unternehmen in Düsseldorf mitteilte. Es sehe eine Kapitalerhöhung und den Erwerb der Uniper-Anteile von Fortum vor. Anschließend werde der Bund etwa 98,5 Prozent der Anteile an Uniper besitzen. Trotz der geplanten Verstaatlichung des Gasimporteurs will die Bundesregierung vorerst am Instrument der Gasumlage festhalten.

Die Uniper-Aktie zeigte sich am Mittwochmorgen stark bewegt. Sie brach kurz nach Handelsbeginn im SDax über ein Fünftel ein und notierte zeitweise bei 3,314 Euro. Anschließend folgte eine Verlustbegrenzung, bevor das Minus noch deutlicher wurde. Der Kursverlust der Anteile des 2016 von Eon abgespaltenen Unternehmens beläuft sich in diesem Jahr aktuell auf rund 92 Prozent. Die Aktien von Fortum legten an der finnischen Börse hingegen um mehr als 30 Prozent zu.

Der Bund kauft Fortum seine Beteiligung an dem Düsseldorfer Energieversorger für einen Bruchteil seines ursprünglich getätigten Investments ab. Der Staat zahle für Fortums Anteile 1,70 Euro je Aktie. In Summe sind es 480 Millionen Euro, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwochmorgen bei einer Pressekonferenz in Berlin sagte. Damit verliert der finnische Konzern einen Großteil seines Investments. Dieses hat sich laut Habeck auf acht Milliarden Euro belaufen.

Derzeit hält Fortum knapp 78 Prozent an Uniper. Fortum selbst gehört zu knapp 51 Prozent dem finnischen Staat. Der Konzern erhält in der getroffenen Vereinbarung das Recht, ein erstes Angebot abgeben zu dürfen, falls Uniper sich entscheiden sollte, das gesamte oder Teile des schwedischen Wasserkraft- oder das Kernenergie-Geschäft zu veräußern. Derzeit bestehen laut Uniper aber keine Verkaufsabsichten.

Weiterhin sieht die Einigung die Ablösung einer Kreditlinie von Fortum vor. Diese besteht aus einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sowie einer sogenannten Garantielinie in Höhe von ebenfalls vier Milliarden Euro. Die staatliche KfW-Bank werde Uniper Finanzmittel entsprechend ihrem Liquiditätsbedarf zur Verfügung stellen, berichtete Uniper weiter. Die Stabilisierungsmaßnahmen stehen noch unter Vorbehalt. So stünden noch Genehmigungen der EU-Kommission aus. Im vierten Quartal 2022 soll eine außerordentliche Uniper-Hauptversammlung die Maßnahmen beschließen.

Schon im Juli hatten sich die Bundesregierung, Uniper und Fortum auf ein milliardenschweres Rettungspaket geeinigt. Es hatte bereits eine Minderheitsbeteiligung des Bundes vorgesehen. Ende August hatte der Konzern die beschlossenen Kreditlinien der KfW bereits auf 13 Milliarden Euro erweitert. Davon seien bislang 11 Milliarden Euro in Anspruch genommen, sagte Habeck am Mittwoch. Am 14. September hatte Uniper mitgeteilt, dass bei den Gesprächen über das Stabilisierungspaket auch eine Kapitalerhöhung geprüft werde, die zu einer "signifikanten Mehrheitsbeteiligung" des Bundes an Uniper führen würde.

Uniper ist in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland pumpt. Der Gas-Großhändler ist Lieferant für über 100 Stadtwerke und große Unternehmen und spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung von Deutschland. Das aus Russland fehlende Gas muss sich das Unternehmen jetzt teuer auf dem Gasmarkt kaufen. Zuletzt hatte Uniper von täglichen Verlusten in Höhe von über 100 Millionen Euro gesprochen.

Die Bundesregierung sicherte auch den anderen großen Gasimporteuren Unterstützung bei Bedarf zu. "Der Staat wird, das zeigen wir ja, alles Nötige tun, um die Unternehmen immer stabil am Markt zu halten", sagte Habeck. "Das gilt für Uniper. Das gilt für die anderen großen systemrelevanten Unternehmen in Deutschland."

Der Bund ist in der Vergangenheit bereits mehrfach Unternehmen finanziell zur Seite gesprungen, etwa in der Corona-Krise der Fluggesellschaft Lufthansa oder dem Reiseanbieter Tui . Unter dem Druck der Finanzkrise beteiligte sich der Staat Anfang 2009 an der Commerzbank . Beobachter gehen davon aus, dass die Uniper-Übernahme durch den Bund die größte Rettungsaktion für ein einzelnes Unternehmen in der bundesdeutschen Geschichte ist. Trotz dieser will Habeck vorerst am Instrument der Gasumlage festhalten.

Die Umlage sei als Brücke notwendig, um die Finanzsolidität von Uniper sicherzustellen, sagte Habeck. Sie soll demnach wie geplant zum 1. Oktober eingeführt werden. Mit der Gasumlage sollen Gasimporteure gestützt werden, die wegen der hohen Einkaufspreise für russisches Gas in Schwierigkeiten geraten. Derzeit ist die Umlage für alle Gasnutzer auf rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Die ersten Abschlagszahlungen sollen nach aktuellem Stand frühestens im November an Unternehmen gehen.

Habeck betonte, dass die Bundesregierung einen "rechtssicheren Weg" gefunden habe, um "sogenannte Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen". Gemeint sind die Nachbesserungen, die Habeck an der Gasumlage versprochen hatte, nachdem bekannt geworden war, dass möglicherweise auch jene Unternehmen von der Gasumlage profitieren könnten, die Profite machen und nicht in Not sind. Mit der nun offiziell angekündigten Verstaatlichung von Uniper ergebe sich für die Umlage aber eine Situation, die geprüft werden müsse, führte Habeck aus.

Ob die Umlage dann, wenn Uniper ein Staatsunternehmen sei, noch verfassungskonform erhoben werden könne, sei eine berechtigte Frage, erklärte der Minister. Finanzverfassungsrechtliche Prüfungen dazu liefen auf Hochtouren. Die Umsetzung der geplanten Verstaatlichung von Uniper dauere mindestens drei Monate, erklärte Habeck weiter./tob/lew/faa/ngu/stk