(neu: Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums)
BERLIN (dpa-AFX) - Die bisher geplanten Maßnahmen der Bundesregierung reichen nicht aus, um die Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 zu erreichen. Das geht aus Eckpunkten für ein Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung hervor, die am Montag aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt geworden sind. Demnach bliebe im Verkehrssektor bis 2030 noch immer ein Minderungsbedarf von 118 bis 175 Millionen Tonnen Treibhausgase, der durch die Maßnahmen aus dem Sofortprogramm nicht gedeckt wäre. Bis zum Frühjahr 2023 sollen weitere Instrumente vorliegen, um die Lücke zu schließen, hieß es weiter. In allen anderen Sektoren, etwa Gebäude oder Landwirtschaft, würden die Ziele mit den bislang angedachten Maßnahmen erreicht.
Wie aus den Kreisen außerdem zu erfahren war, ist das Klima-Sofortprogramm an diesem Montag in die Abstimmung zwischen den Ministerien gegangen und soll noch im November im Bundeskabinett verabschiedet werden. Die Kabinettsbefassung hatte sich zuvor wegen Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien abermals verzögert.
Das geplante Programm soll Deutschland in die Lage versetzen, seine Klimaziele einzuhalten - insbesondere das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 65 Prozent zu senken. Dafür müssen alle Sektoren - darunter die Schlüsselbereiche Gebäude und Verkehr - ihren eigenen Beitrag leisten. Das Programm legt für jeden einzelnen Sektor einen Fahrplan bis 2030 fest. Erste Maßnahmen sollen bis Ende des Jahres beschlossen werden.
Im Verkehrssektor beläuft sich die Gesamtlücke einem Projektionsbericht zufolge auf 271 Millionen Tonnen Treibhausgase bis 2030. Durch die bis Ende des Jahres vorgesehenen Maßnahmen werde diese Lücke schon deutlich verkleinert, hieß es weiter. Im Jahr 2030 sollen die Emissionen im Verkehrssektor laut Bundesklimaschutzgesetz nur noch 85 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalente betragen. Zum Vergleich: 2021 lagen sie noch bei 148 Millionen Tonnen. "Vor dem Hintergrund der klimapolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte" sei es im Verkehrssektor "nicht sofort möglich, alle notwendigen Weichenstellungen in einem Schritt zu vereinbaren", hieß es dazu. Zu den bislang vorgesehenen Maßnahmen im Verkehr gehören etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, eine bundesweite elektrische Ladeinfrastruktur und mehr saubere Kraftstoffe im Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr.
Ein zentraler Punkt, der alle Bereiche betrifft, ist der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien. Vorgesehen ist, dass bis 2030 80 Prozent des Stroms ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen, vorwiegend aus Wind- und Solarenergie, stammen sollen. Im Gebäudesektor sehen die Eckpunkte aus dem Haus von Robert Habeck (Grüne) vor, dass ab 2024 möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Damit will die Bundesregierung vor allem die Nutzung von Wärmepumpen vorantreiben.
In der Industrie sollen die Treibhausgase gemindert werden, indem Unternehmen verstärkt auf klimafreundliche Produktionsweisen und Technologien setzen. Das Sofortprogramm soll die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für sogenannte Klimaschutzdifferenzverträge schaffen. Mit diesen Verträgen können die Mehrkosten einer klimafreundlichen Produktion staatlich abgesichert werden.
Die Eckpunkte zum Klima-Sofortprogramm enthalten außerdem erste Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Entsprechende Eckpunkte dazu, wie das Gesetz überarbeitet werden soll, will die Bundesregierung ebenfalls im Frühjahr 2023 beschließen. Das Gesetz ist die Grundlage für die nötigen Emissionseinsparungen in den einzelnen Sektoren.
Das Bundesverkehrsministerium bezeichnete die Eckpunkte, die das Wirtschaftsministerium nun in die Ressortabstimmung gegeben hat, als "gute Diskussionsgrundlage". Der Verkehrsbereich habe aufgrund der politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre "besonders aufzuholen", erklärte ein Sprecher. Wichtig sei es aber, sich nicht "im Kleinklein der Einzelmaßnahmen" zu verhaken, sondern eine sektorübergreifende Gesamtbetrachtung anzustreben. Das müsse sich auch in der anstehenden Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes widerspiegeln, erklärte der Sprecher des FDP-geführten Ministeriums von Volker Wissing.
Daran anknüpfend plädierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Lukas Köhler, dafür, die jährlichen Sektorziele gänzlich abzuschaffen und das Klimaschutzgesetz entsprechend zu reformieren. Habecks Wirtschaftsministerium müsse dazu schnell einen konkreten Vorschlag vorlegen, sagte Köhler der dpa.
Die Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum forderte Wissings Ministerium dagegen auf, "endlich neue Maßnahmen" für mehr Klimaschutz im Verkehr zu liefern. Es sei "peinlich", dass das Ministerium den Klimaschutz auf das kommende Jahr verschiebe, sagte Badum der dpa. Es brauche im Verkehr dringend eine Reform des Dienstwagenprivilegs und der KfZ-Steuer, sagte sie. Mit Dienstwagenprivileg sind steuerliche Vorteile für die Nutzer von Dienstwagen gemeint.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) pochte mit Blick auf die Versäumnisse im Verkehrssektor erneut auf die Einführung eines Tempolimits./faa/DP/he