(neu: EY-Umfrage zu Kreditvergabe durch Banken)

HAMBURG/FRANKFURT (dpa-AFX) - Die jüngsten Bankenturbulenzen werden nach Einschätzung des Kreditversicherers Allianz Trade im laufenden Jahr zu mehr Firmenpleiten führen. Für Deutschland rechnet die Tochter Versicherers Allianz mit einem Anstieg um gut ein Fünftel (22 Prozent) zum Vorjahr auf etwa 17 800 Fälle. "Durch die nun noch restriktivere Kreditvergabe der Banken dürften mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten als noch zu Jahresbeginn erwartet", erläuterte Allianz Trade am Dienstag. Bislang war ein Anstieg der Unternehmensinsolvenzen hierzulande um 15 Prozent vorhergesagt worden. Schon vor den Turbulenzen wollten viele Banken einer Umfrage zufolge die Kreditvergabe herunterfahren.

"Eine Pleitewelle ist das weiterhin nicht, auch wenn ein zweistelliger Zuwachs zunächst den Anschein erweckt", ordnete der Vorstandschef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Milo Bogaerts, ein. Aus seiner Sicht hinterlassen die Probleme von Banken in den USA und der Schweiz auch Spuren in Deutschland: "Mit den deutlich steigenden Zinsen laufen eher schwach finanzierte Unternehmen Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten."

Die schnell und stark gestiegenen Zinsen hatten Mitte März in den USA mehrere Regionalbanken zu Fall gebracht. Aktienkurse von Bankhäusern weltweit gerieten unter Druck. Die bereits zuvor kriselnde Schweizer Großbank Credit Suisse wurde Mitte März per Notverkauf an die UBS aufgefangen. Notenbanken, Politik und Bankenvertreter betonten jedoch die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems in Deutschland und Europa.

Das Münchner Ifo-Institut kam anhand einer Umfrage jüngst zu dem Schluss, dass Unternehmen in Deutschland wieder leichter an Kredite kommen. Berichteten im Dezember noch 30 Prozent der Unternehmen von Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe, waren es im März nur noch 22,7 Prozent. "Die Turbulenzen bei einigen internationalen Banken haben keine Auswirkung auf die Kreditvergabe in Deutschland", folgerte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Bankkunden müssen sich nach Einschätzung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY allerdings auf höhere Anforderungen, steigende Kosten und häufigere Ablehnungen von Kreditanträgen einstellen. Nach einer am Dienstag veröffentlichten EY-Umfrage planen 67 Prozent der Institute, die Kreditvergabe herunterzufahren. Nur noch 15 Prozent der im vergangenen Oktober befragten Geldhäuser wollten in den kommenden zwölf Monaten mehr Kredite vergeben. Ein Jahr zuvor waren es noch 61 Prozent. Angesichts schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingung mit hoher Inflation und steigenden Zinsen halten 86 Prozent der befragten 120 Bankmanager Kreditausfälle für wahrscheinlich.

"Den Banken bleibt keine andere Wahl, als bei der Kreditvergabe restriktiver vorzugehen", erläuterte EY-Partner Christoph Roessle. "Denn die deutsche Finanzaufsicht schreibt seit dem vergangenen Jahr vor, dass die Kreditinstitute als Vorsorge für mögliche Rückschläge etwa auf dem Immobilienmarkt zusätzliche Kapitalpuffer bilden müssen." Der Kapitalpuffer soll die Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten gegen Krisen erhöhen.

Amtlichen Daten zufolge stieg die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im vergangenen Jahr zwar erstmals seit der weltweiten Finanzkrise 2009 wieder an. Extrem gestiegene Energiepreise, hohe Inflation sowie Kaufzurückhaltung von Verbrauchern zwangen wieder mehr Unternehmerinnen und Unternehmer zur Aufgabe ihres Geschäfts. Dennoch blieben die Zahlen im langjährigen Vergleich sehr niedrig.

"Selbst Ende 2023 dürfte Deutschland das Niveau von vor der Pandemie noch nicht erreicht haben", prognostizierte Allianz-Trade-Experte Bogaerts. "Das dürfte erst nach einer weiteren Zunahme der Insolvenzen um sechs Prozent im Jahr 2024 wieder leicht überschritten werden."

Die weltweiten Insolvenzzahlen werden nach Einschätzung von Allianz Trade im laufenden Jahr von zuletzt vergleichsweise niedrigem Niveau ebenfalls um gut ein Fünftel (21 Prozent) anziehen. Auch hier erwartet der Kreditversicherer, dass erst 2024 das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 wieder annähernd erreicht sein wird.

"Deutschland steht im europäischen Vergleich weiterhin gut da", sagte Bogaerts. "Allerdings hat sich die Dynamik bei der Zunahme der Pleiten im Zuge der Normalisierung inzwischen an das weltweite Geschehen angeglichen." Grund zur Panik sei dies nicht, Anlass zur Vorsicht aber schon."/ben/mar/DP/stw