(neu: Aussagen aus Pressekonferenz zum Ausmaß der Preiserhöhungen, Prognose zur Zahl der Verlustjahre, Auswirkung einer möglichen Elementarschaden-Pflichtversicherung)
BADEN-BADEN (dpa-AFX) - Autobesitzer in Deutschland müssen nach Ansicht der Hannover Rück noch über Jahre mit deutlich steigenden Versicherungsprämien rechnen. Überdurchschnittlich gestiegene Ersatzteil- und Reparaturkosten führten bei den hiesigen Kfz-Versicherern zu "massiven Verlusten", sagte Hannover-Rück-Deutschlandchef Michael Pickel beim Branchentreffen am Montag in Baden-Baden. Weitere Preisanpassungen seien "unausweichlich", um das Geschäft aus den roten Zahlen zu bringen und langfristig wieder profitabel zu machen. Gelingen dürfte dies jedoch frühestens im Jahr 2026, sagte der für das Kfz-Geschäft zuständige Bereichsleiter Stefan Schmuttermair.
Rückversicherer wie Hannover Rück und Munich Re
Dabei geht es auch um die Konditionen in der Kfz-Versicherung - der vom Volumen her größten Sparte des Schaden- und Unfallgeschäfts. Unter den weltweiten Rückversicherern ist die Hannover Rück die Nummer drei, für Deutschland ist sie der größte Kfz-Rückversicherer. Dadurch hat sie einen guten Einblick in die Konditionen der hiesigen Kfz-Erstversicherer wie Huk Coburg und Allianz. Diese buhlen in der üblichen Wechselsaison im Herbst mit ihren Angeboten um neue Kunden.
Um die deutschen Kfz-Versicherer schon 2024 an die Gewinnschwelle zu bringen, müssten sie ihre Prämien im Schnitt um etwa 20 Prozent anheben, sagte Schmuttermair. Für realistisch hält er jedoch nur eine Erhöhung um 10 Prozent. Die Vergleichsportale Verivox und Check24 hatten in den vergangenen Tagen bereits über Prämienerhöhungen von bis zu 16 Prozent berichtet - je nachdem, ob es um Kfz-Haftpflicht, Teilkasko oder Vollkasko geht. Die Portale betrachten allerdings nur die Tarife für Neukunden und Wechsler. Die Hannover Rück hat auch die Tarife für Kunden im Blick, die ihrem Versicherer treu bleiben.
In der Vergangenheit hatten viele Kfz-Versicherer vor allem bei ihren Bestandskunden an der Preisschraube gedreht und Neukunden mit vergleichsweise günstigen Konditionen angelockt. Der harte Konkurrenzkampf verhinderte, dass die Prämien insgesamt stärker stiegen. Die Kfz-Versicherung gehört zum Standardangebot von Sachversicherern. Viele hoffen darauf, ihren Kunden in der Folge weitere Versicherungsverträge verkaufen zu können - und mit ihnen dann doch Geld zu verdienen.
Doch nun stecken die Kfz-Versicherer tief in den roten Zahlen. Nach Einschätzung der Hannover Rück müssen die Unternehmen der Branche im laufenden Jahr 2,9 Milliarden Euro mehr für Schäden, Verwaltung und Vertrieb ausgeben, als sie an Beiträgen einnehmen. 2024 werde es voraussichtlich "besser, aber es wird nicht viel besser", sagte Schmuttermair. So dürften sich die durchschnittlichen Schäden weiter verteuern. Wenn die Versicherer bei ihren Kunden tatsächlich 10 Prozent höhere Prämien durchsetzen, dürfte das Minus nach seiner Einschätzung lediglich auf etwa 2,7 Milliarden Euro sinken.
Auch 2025 erwartet er weiterhin Verluste in der Branche. Frühestens 2026 sei wieder eine schwarze Null möglich - sofern die Prämien tatsächlich entsprechend steigen und nicht etwa ein schweres Hagelgewitter hohe Schäden anrichtet. Bei der Hannover Rück sieht es laut Deutschland-Chef Pickel schon jetzt besser aus. Zwar werde sie das laufende Jahr in diesem Geschäft vermutlich mit einem leichten Verlust abschließen. Die höchsten Schäden aus den Kasko-Verträgen müssten jedoch Erstversicherer tragen.
Auch abseits des Kfz-Geschäfts rechnet die Hannover Rück hierzulande mit steigenden Preisen für Rückversicherungsschutz, auch wegen der anhaltend hohen Inflation. "Wir müssen davon ausgehen, dass der langjährige Trend zu höheren Schadenleistungen weiter anhält", sagte Pickel. Die Frage nach der Absicherung der Folgen von Extremwetter wie Starkregen, Überschwemmung, Sturm und Hagel betreffe private Haushalte, Gewerbe und Industrie gleichermaßen.
So hätten die Sommerunwetter "Lambert" und "Kay" sowie eine Unwetterserie in Süddeutschland im August zu erheblichen Versicherungsschäden geführt. Zugleich wachse die Nachfrage nach Elementarschadendeckungen, schreibt die Hannover Rück, und das Angebot an Rückversicherungsschutz sei knapp. Schon deshalb dürften die Preise dafür steigen. Und für den Fall, dass Deutschland tatsächlich eine Elementarschadenversicherung für Gebäudeeigentümer zur Pflicht macht, rechnet die Hannover Rück mit einem sprunghaften Anstieg des Rückversicherungsbedarfs um mehr als 10 Milliarden Euro.
Im Geschäft mit Industrie und Gewerbe hält die Hannover Rück ebenfalls weitere Prämienerhöhungen infolge der hohen Inflation für notwendig. Zudem habe es mehr Großschäden durch Feuer gegeben. Nicht weiter verteuern dürfte sich nach Einschätzung des Managements hingegen Rückversicherungsverträge rund um Cyber-Attacken./stw/nas/jha/