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BRÜSSEL (dpa-AFX) - In der EU wird es für Verbraucher und Unternehmen auf absehbare Zeit keine tiefgreifenden Markteingriffe zur Absenkung der hohen Energiepreise geben. Bei einem Gipfeltreffen in Brüssel blockierte in der Nacht zum Freitag insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz Entscheidungen zu einem möglichen Preisdeckel für Gas, das zur Stromerzeugung genutzt wird. Konkret gearbeitet werden soll zunächst lediglich an einem Preisdeckel zur Begrenzung extremer Ausschläge.

Verbraucher und die Wirtschaft hätten in der aktuellen Situation allerdings nichts von einem solchen Instrument. Der vorgeschlagene Mechanismus soll nicht das derzeitige Preisniveau drücken, sondern lediglich dann zum Einsatz kommen, wenn etwa Manipulationen wie der russische Lieferstopp über Nord Stream 1 die Preise hochtreiben. Auch die Details eines solchen Modells - etwa was ein exzessiver Gaspreis ist - sind noch weitgehend unklar. Dennoch reklamierten etliche Staats- und Regierungschefs die Vereinbarung als Erfolg für sich.

Kanzler Scholz, dem vor dem Gipfel von vielen Staaten Egoismus in der Energiekrise vorgeworfen worden war, sprach nach der ersten Gipfelnacht von einem "guten Zeichen der Solidarität". Ungarns Viktor Orban sah eine "faire Vereinbarung". Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki nannte das Ergebnis gut für Polen und Österreichs Kanzler Karl Nehammer verkündete "gute Nachrichten".

Tatsächlich blieb der Gipfel-Kompromiss allerdings vage. Vereinbart wurde viel mehr ein "Fahrplan" für die kommenden Wochen und Monate, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte. Als nächstes sollen sich die Energieminister der EU-Staaten am Dienstag mit dem Vorhaben des Gaspreisdeckels gegen extrem hohe Preise befassen.

Von der Leyen gab sich sicher, dass ein "dynamischer Preiskorridor" eingeführt wird. Scholz zeigte sich deutlich zurückhaltender als seine ehemalige Kabinettskollegin. Er behauptete, die Fachminister müssten mögliche Beschlüsse bei dem Thema einstimmig fassen, andernfalls werde sich ein EU-Gipfel nochmal damit befassen. Geregelt ist eigentlich, dass in der Energiepolitik mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden kann. Bei anderen Gipfel-Teilnehmern sorgten Scholz' Äußerungen für Irritationen. Der Kanzler setzt sich seit Monaten öffentlich dafür ein, seltener auf das Einstimmigkeitsprinzip zu setzen, um die EU etwa in außenpolitischen Fragen handlungsfähiger zu machen.

Deutschland sah Preisdeckel aller Art bislang mit Skepsis. Je nach Ausgestaltung wird etwa befürchtet, dass Lieferanten ihr Gas nicht mehr in die EU, sondern an andere Länder verkaufen könnten. Bei den anstehenden Verhandlungen dürfte Berlin nun versuchen, das Instrument so zu konzipieren, dass es möglichst selten oder gar nicht angewendet wird. Der Gipfel-Beschluss legte als Hürde bereits unter anderem fest, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird.

Weitreichende Ergebnisse gab es beim Gipfel auch deshalb nicht, weil Deutschland und Frankreich in Schlüsselfragen seit Wochen über Kreuz liegen. So fordert der französische Präsident Emmanuel Macron etwa, europaweit einen Preisdeckel für Gas einzuführen, das zur Stromerzeugung genutzt wird - Scholz lehnt ein solches Vorhaben dagegen vehement ab. Ähnliche Differenzen gibt es in der Frage, wie in der EU mögliche Unterstützungsmaßnahmen in der Energiekrise finanziert werden sollen.

Macron bezog bereits vor dem Gipfel mit seiner Warnung vor einer Isolation Deutschlands klar Position. Das passt ins Bild der kurz vor dem Gipfel verschobenen gemeinsamen Kabinettssitzung beider Regierungen, die eigentlich für nächste Woche geplant waren. Der Grund: Die Differenzen bei zentralen Themen wie Energie und Verteidigung sind einfach zu groß.

Immerhin wollen Scholz und Macron sich nächste Woche in Paris erstmal zu zweit treffen, um sich auszusprechen. "Wir arbeiten also weiter und vertreten nicht immer die gleichen Positionen, was normal ist", sagte Macron dazu. Klingt nicht gerade zuversichtlich. Dann fügte er noch hinzu, dass es sich gerade um einen Schlüsselmoment für Europa handele.

Scholz ließ sich gar nicht so richtig auf Fragen nach Problemen im deutsch-französischen Verhältnis ein. Er spreche ja immer wieder mit Macron, sagte er. "Insofern kann man davon ausgehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland, und auch zwischen dem Präsidenten und dem Bundeskanzler intensiv ist - und Erfolg hat." Was genau er als Erfolg sieht, erklärte er dann aber nicht mehr./dub/DP/ngu