(neu: Aussagen aus der Pressekonferenz, Aktienkurs, mehr Hintergrund, Investor-Aussagen)
BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der neue Fresenius-Chef
Sen zeigte sich bei der Bilanzvorlage am Mittwoch sicher, das Ruder beim hochverschuldeten Konzern wieder herumreißen zu können. Dafür wollen sich beide Unternehmen auch von nicht näher genannten Randgeschäften trennen. "2023 ist das Jahr, in dem wir entscheidende Weichen für die kommenden Jahre oder sogar Jahrzehnte stellen", sagte Sen. Die Probleme ließen sich mit der neuen Strategie lösen, jedoch nicht "über Nacht".
Dies hinterlässt auch Spuren im Ausblick für 2023: Das Management rechnet trotz voraussichtlich weiter anziehender Erlöse in diesem Jahr bestenfalls mit einem stabilen Ergebnis. Im schlechtesten Fall schließt die Führung auch einen Rückgang im hohen einstelligen Prozentbereich nicht aus. Hier schlagen unter anderem inflationsbedingte Kosten, Ausgaben für den Umbau sowie ausfallende Unterstützung der US-Regierung für FMC zu Buche.
An der Börse gingen die beiden Unternehmen zur Wochenmitte getrennte Wege. Die Fresenius-Aktien verloren zuletzt vier Prozent, der Kurs der FMC-Papiere legte hingegen um zehn Prozent zu. Mit der Dekonsolidierung von FMC erscheine Fresenius auf dem richtigen Weg, wenngleich unklar bleibe, was mit dem Anteil passieren werde, schrieb JPMorgan-Analyst David Adlington. Er monierte zudem die Konzernprognose.
Mit dem Fokus auf die Sparten Arzneien und Medizinprodukte (Kabi) sowie Kliniken (Helios) will sich Fresenius auf "strukturelle Wachstumsfelder der Industrie" konzentrieren, wie Sen erläuterte. In diesen zugleich "kritischen Bereichen des Gesundheitswesens" verfügten die Bad Homburger über eine "sehr attraktive Marktposition". Mögliche künftige Zukäufe sollten entsprechend dieser Ausrichtung erfolgen. Derzeit sei aber wenig Platz für große Deals, sagte er mit Blick auf den hohen Schuldenberg des Dax-Konzerns. Spekulationen über einen geplanten Verkauf der spanischen Klinikkette Quironsalud erteilte der Manager dagegen eine Absage. Das Unternehmen bleibe Teil der Strategie.
Unter Sens Vorgänger Stephan Sturm hatte Fresenius Übernahmen in Serie gestemmt - etwa den milliardenschweren Zukauf von Quironsalud 2017. Später schlug aber die Übernahme des US-Arzneikonzerns Akorn fehl. Zudem engen Fresenius zunehmend hohe Schulden ein. Der Konzern musste mehrfach seine Gewinnziele korrigieren. Sturm trat im Herbst ab.
Die Fresenius-Führung will die Kosten nun stärker senken, vor allem bei FMC. Ab 2025 soll jährlich rund eine Milliarde Euro eingespart werden. Fresenius wolle den Einkauf effizienter gestalten und die Verwaltungskosten senken. Auch die Aktionäre bekommen den neuen Kurs zu spüren: Sie sollen für 2022 erstmals seit fast 30 Jahren keine Dividendenerhöhung erhalten, sondern mit 92 Cent je Aktie eine Ausschüttung auf Vorjahresniveau.
Die geplanten Maßnahmen dürften im kommenden Jahr erste Früchte tragen, zeigte sich Sen zuversichtlich. Auch FMC-Chefin Helen Giza rechnet damit, ihr Unternehmen 2024 wieder zu Gewinnwachstum zurückzuführen. Dafür will sich der Blutwäschespezialist auch aus wenig lukrativen Märkten zurückziehen. Bei Fresenius stünden eine "Handvoll kleinere Geschäfte" zur Disposition, sagte Sen, ohne Details zu nennen. Ein neues Stellenabbauprogramm wurde nicht angekündigt.
Sen sparte unterdessen nicht mit Kritik an seinen Vorgängern: Dem Konzern habe in den vergangenen Jahren die Richtung gefehlt. Fresenius habe dabei keine "zufriedenstellende Gesamtperformance" geliefert. Wachsende Schulden hätten den Spielraum eingeengt. Mit der geplanten strukturellen Vereinfachung werde Fresenius mit einem stärkeren Fokus auf die Rendite seine Leistungsfähigkeit wieder verbessern können, ergänzte der Manager.
Im vergangenen Jahr musste Fresenius wegen steigender Kosten, Personalmangel und Problemen in den Lieferketten einen Gewinneinbruch hinnehmen. Obwohl der Umsatz zum Vorjahr um neun Prozent auf 40,8 Milliarden Euro stieg, fiel der um Sondereffekte bereinigte Gewinn um sieben Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Größte Bürde war FMC: Dort knickte der bereinigte Gewinn 2022 um zehn Prozent ein. Der Dialysetochter machten zuletzt ein Mangel an Pflegekräften in den USA, Lieferkettenprobleme sowie steigende Kosten zu schaffen. Zudem starben viele Dialysepatienten an Corona.
Am Sorgenkind FMC hält Fresenius zwar nur rund ein Drittel der Anteile. Wegen der Organisation der beiden Unternehmen als Kommanditgesellschaften auf Aktien fließen die Ergebnisse von FMC aber komplett in die Fresenius-Bilanz ein, damit wurde die Tochter für den Mutterkonzern zunehmend zum Bremsklotz.
Nun reagiert Fresenius darauf. Mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wäre der Konzern künftig diese Last los, da FMC nur noch als Beteiligung berücksichtigt werden dürfte. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Juli soll der Beschluss für eine Entflechtung gefasst werden. Damit wäre auch der Weg geebnet für einen möglichen späteren Verkauf von FMC, doch dafür müsste der Aktienkurs wohl deutlich steigen. Auf Sicht von zwölf Monaten liegt das Papier gut 30 Prozent im Minus.
FMC gewinne deutlich mehr Flexibilität und Gestaltungsspielraum, aber auch mehr Verantwortung, sagte Sen. Fresenius bleibe vorerst ein "aktiver Investor". Was das bedeutet, erklärte er auch: "Ich habe FMC gesagt, wie zügig wir Verbesserungen sehen wollen, um den Wert unserer Beteiligung zu maximieren."
Den Klinik-Dienstleister Vamed, an dem Fresenius mehr als 70 Prozent hält, will Fresenius laut dem Manager hingegen in Zukunft nachrangig und "wie eine Finanzbeteiligung" behandeln. Für Florian Oberhofer, Fondsmanager bei Union Investment, wird damit neben einem Abbau der Beteiligung an FMC auch eine Reduzierung des Vamed-Anteils künftig wahrscheinlicher.
Fresenius steckt schon länger in der Krise. Nach mehreren Gewinnwarnungen hatte Sen im Herbst den bisherigen Konzernchef Sturm abgelöst. Bei FMC übernahm zugleich Carla Kriwet das Ruder, warf aber im Dezember schon wieder hin - offenbar im Streit über die Strategie. Ihr folgte Helen Giza als neue Chefin von FMC. Unter Investoren steht die breite Aufstellung von Fresenius mit den Säulen Dialyse, Kliniken, Arzneien und Projektgeschäft schon länger in der Kritik. So dringt der US-Hedgefonds Elliott auf eine Aufspaltung der komplexen Struktur./tav/als/stw/jha/