(neu: Aussagen Management und Arbeitnehmer, Kurs aktualisiert, Analysten.)

HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental plant die Aufspaltung des Konzerns und will sich von der seit langem schwächelnden Autozuliefersparte trennen. Lange sträubte sich das Management um Chef Nikolai Setzer öffentlich gegen Berichte und Spekulationen in diese Richtung. Nun könnten die wesentlichen Sparten des Traditionskonzerns aus Hannover aber doch getrennte Wege gehen, um alleine erfolgreicher dazustehen. Die Arbeitnehmerseite mahnte an, dass die Beschäftigten eine klare Perspektive und die Unternehmensteile eine ausreichende Kapitalausstattung bräuchten. Die im Dax notierte Aktie von Conti hielt sich am Nachmittag in einem sehr schwachen Umfeld stabil.

Das Papier ist seit Längerem im Niedergang, im Jahr 2018 war es auf dem Rekordhoch noch über 230 Euro wert, bevor es nach und nach bergab ging. In den vergangenen beiden Jahren pendelte der Kurs im Wesentlichen zwischen 50 und 75 Euro. Vom einstigen Börsenwert von zeitweise über 45 Milliarden Euro in den Jahren bis 2018 sind derzeit nur noch rund 10 Milliarden geblieben. Analyst Michael Aspinall von Jefferies schrieb, der Plan sei der bisher umfassendste Vorschlag zum Umbau des Konzerns. JPMorgan-Experte Jose Asumendi merkte an, das dürfte bei den Anlegern gut ankommen - fraglich sei allerdings, wie die Autosparte auf eigenen Beinen stehen könne angesichts des aktuell hohen Kapitalbedarfs.

Schon vergangenes Jahr hatte Conti große Teile des Autogeschäfts auf den Prüfstand und damit auch ins Schaufenster gestellt, vor allem den Geschäftsbereich User Experience mit Displays für den Fahrzeuginnenraum. Dieses Vorhaben wird auf absehbare Zeit zurückgestellt, nun soll das gesamte Geschäft abgegeben werden.

Die Marktbedingungen hätten sich seit dem jüngst gefassten Plan noch einmal rapide gewandelt, begründete Setzer den Schwenk in einer Videokonferenz mit Journalisten. Er verwies auf schwache Volumen bei der weltweiten Autoproduktion und insbesondere bei Elektroautos, auf Importzölle auf chinesische Elektroautos und auch darauf, dass chinesische Autobauer in Europa Fuß fassen wollten. In einem solchen Umfeld brauche die Autosparte volle Handlungsfreiheit. "Vor diesem Hintergrund streben wir eine Aufteilung von Continental an." Auto-Spartenchef Philipp von Hirschheydt sprach von einem mittlerweile vielfach "disruptiven Umfeld", das schnelle Entscheidungen nötig mache. Die Technik verändere sich immer rascher.

Angedacht ist jetzt eine Abspaltung und separate Börsennotierung des Autozuliefergeschäfts im Rahmen eines sogenannten Spin-Offs, wie der Konzern am Montag mitteilte. Die Aktionäre würden damit Eigentümer von zwei getrennten Konzernen. Der eine Teil würde weiter die profitable Reifensparte und die Kunststofftechnik enthalten. Der andere bestünde aus den Geschäften mit Bremsen, Elektronik, Displays und sonstigen Teilen für die Autoindustrie. Diese Sparte beschäftigte zuletzt Ende März gut 101.000 der knapp 201.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgesamt.

Der Vorstand will nach einer Detailprüfung voraussichtlich im vierten Quartal über einen Spin-Off entscheiden. Danach muss die Hauptversammlung im kommenden Jahr zustimmen. Sollte es so kommen, ist ein Abschluss der Transaktion bis Ende 2025 geplant. Bei Conti sind die Machtverhältnisse klar: Die Industriellenfamilie Schaeffler besitzt 46 Prozent der Anteile und hat damit faktisch bei einer Hauptversammlung das Sagen. Georg F.W. Schaeffler ist im Aufsichtsrat von Conti vertreten.

Ziel eines Spin-Offs wäre es, das Wert- und Wachstumspotenzial der beiden dann getrennten Konzerne auszuschöpfen, hieß es vom Unternehmen. Über eine Trennung wird angesichts der schwächelnden Autozuliefersparte schon lange spekuliert. Am Kapitalmarkt wurde bezweifelt, dass die derzeitigen Konzernteile große Überschneidungen und damit Synergien bieten. Investoren missfällt es in aller Regel, wenn ein erfolgreicher Konzernteil einen schwächelnden mittragen muss.

Setzer stellte in Aussicht, dass die Autozuliefergeschäfte unter einem dann neuen Namen "kapitalmarktfähig" sein sollen - sprich: Sie sollen eigenständig in der Lage sein, ihre Investitionen zu finanzieren über einen positiven Mittelzufluss (Cashflow). In der Vergangenheit musste das Reifengeschäft des Öfteren in die Bresche springen, wenn im Autogeschäft Geld für hohe Investitionen in Technik und Anlagen nötig war. Autozuliefer-Spartenchef von Hirschheydt betonte, dass die Investitionsquote in den kommenden Jahren deutlich sinken werde. Conti hatte nach Ansicht von Experten in der Vergangenheit im Branchenvergleich zu hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Die Entscheidung zur Prüfung eines Spin-Offs sei "nach vielen Umwegen die letzte Ausfahrt vor der Sackgasse", hieß es in einem Statement der Arbeitnehmerseite, das von IG-Metall-Chefin Christiane Benner, IGBCE-Vorstand Francesco Grioli und von Conti-Betriebsratchef Hasan Allak herausgegeben wurde. Oberste Priorität habe nun, Beschäftigten so schnell wie möglich klare Perspektiven und belastbare Ziele aufzuzeigen. "Gefragt sind jetzt funktionierende Geschäftsmodelle und eine solide Kapitalausstattung aller Unternehmensteile."

Contis Reifengeschäft ist seit vielen Jahren der Gewinnbringer der Niedersachsen, vom Umsatz bleibt regelmäßig ein zweistelliger Prozentsatz als operativer Gewinn hängen. Das Autozuliefergeschäft ist zwar größer, doch vor allem in den vergangenen Jahren wenig erfolgreich. Vergangenes Jahr schrieb der Bereich erstmals seit 2019 überhaupt wieder schwarze Zahlen. Die Sparte ächzte unter hohen Investitionskosten, Zollstreitigkeiten sowie hohen Energie- und Logistikkosten.

Zuletzt hatte Conti in der Sparte den Rotstift angesetzt: Rund 7150 Stellen sollen wegfallen, davon 5400 in der Verwaltung, der Rest trifft die Forschung und Entwicklung. Bis 2025 sollen die jährlichen Kosten der Sparte um 400 Millionen Euro sinken.

Vor Jahren schon hatte Conti die Geschäfte um den Antriebsstrang in die Firma Vitesco ausgegliedert und ebenfalls per Spin-Off an die Börse gebracht. Mittlerweile hat der fränkische Autozulieferer Schaeffler die Mehrheit an Vitesco übernommen und will den Antriebsspezialisten dieses Jahr noch auf den eigenen Konzern verschmelzen.

Bei der spekulierten Trennung vom gesamten Autozuliefergeschäft hatte sich das Management - zuletzt Setzer, zuvor aber auch sein Vorgänger Elmar Degenhart - lange zurückhaltend gezeigt und den Wert eines gemeinsamen Konzerns betont. Dabei galt der Oberkontrolleur im Konzern als Fürsprecher einer Trennung: Wolfgang Reitzle.

Der Top-Manager mit vielen Stationen in der deutschen Industrie, unter anderem als Chef des Gaskonzerns Linde , hatte dieses Jahr sein Mandat im Aufsichtsrat noch einmal um zwei Jahre bis zur Hauptversammlung 2026 verlängert bekommen. In Berichten im "Manager-Magazin" hatte es geheißen, er wolle in der verbliebenen Zeit die Dinge in Hannover noch in die richtige Spur bringen./men/he