(neu: Aussagen aus Pressekonferenz zu Produktionsausbau, Neuigkeiten zum Air-India-Auftrag, Kursreaktion und Analysten)

TOULOUSE (dpa-AFX) - Die Engpässe in den Lieferketten bremsen den weltgrößten Flugzeugbauer Airbus weiter aus. "Es wird uns zwei Jahre kosten, das zu erreichen, was wir in einem Jahr erreichen wollten", sagte Airbus-Chef Guillaume Faury am Donnerstag bei der Bilanzvorlage in Toulouse. Für 2023 peilt der Manager jetzt die Auslieferung von 720 Verkehrsflugzeugen an - so viele wie ursprünglich schon für 2022 geplant. Zudem hält er die anvisierte Rekordproduktion von monatlich 75 Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo jetzt erst 2026 für realistisch. Dass der Hersteller seine Auslieferungspläne im vergangenen Jahr verfehlte, nannte Faury "frustrierend".

An der Börse wurden die Neuigkeiten mit Erleichterung aufgenommen. Seit Ende Januar hatte die Airbus-Aktie zeitweise deutlich verloren. Am Donnerstag legte sie bis zur Mittagszeit um rund drei Prozent auf 122,60 Euro zu und gehörte damit zu den drei stärksten Titeln im Dax . Im Vergleich zum Jahreswechsel beläuft sich der Kursgewinn auf rund zehn Prozent. Das Rekordhoch von 139,40 Euro aus der Zeit kurz vor der Corona-Krise ist aber noch ein Stück entfernt.

Analysten zeigten sich von den Finanzzahlen für 2022 positiv überrascht. Branchenexperte Ian Douglas-Pennant von der Schweizer Großbank UBS wertete die Ziele für 2023 jedoch als schwach. Dies gelte vor allem für den freien Barmittelzufluss. Sein Kollege Stephan Bauer vom Bankhaus Metzler beurteilte die Jahresziele zwar als vorsichtig, fand dies angesichts der Probleme in den Lieferketten und des frühen Zeitpunkts im Jahr jedoch nicht überraschend.

Airbus-Chef Faury fügt sich den Zwängen von außen. "Wir passen unsere Produktion den Lieferkapazitäten an", sagte der Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns. Die Lieferkette habe sich nicht so schnell erholt wie erwartet. Nach dem Einbruch des Flugverkehrs zu Beginn der Corona-Pandemie und der finanziellen Notlage vieler Airlines hatte Airbus seine Produktion deutlich gedrosselt, dann aber wieder ein Stück hochgefahren. So mancher Zulieferer konnte bei den Steigerungen jedoch nicht mithalten.

Schon im Dezember hatte Faury deshalb angekündigt, die Produktionspläne für die stark gefragte A320neo-Reihe ein weiteres Mal zu überarbeiten. Jetzt soll die Produktionsrate von monatlich 65 Jets erst Ende 2024 erreicht werden. Die zuvor für 2025 angepeilte Marke von 75 Maschinen pro Monat fasst der Manager jetzt für 2026 ins Auge. Schon im Dezember hatte er allgemeiner von "Mitte des Jahrzehnts" gesprochen. Vor der Pandemie hatte die Produktion der Reihe bei etwa 60 Jets pro Monat gelegen.

Vor allem bei der A320neo-Familie sitzt Airbus auf einem prall gefüllten Auftragsbuch. Die Produktion ist auf Jahre hinaus ausgebucht. Konkurrent Boeing aus den USA kämpft unterdessen mit hausgemachten Problemen bei mehreren Flugzeugtypen, seit sein Konkurrenzmodell 737 Max ab März 2019 nach zwei tödlichen Abstürzen rund 20 Monate lang weltweit nicht abheben durfte.

Dabei hat die Nachfrage nach dem Einbruch in der Corona-Krise längst wieder angezogen. "Dank des zunehmenden Flugverkehrs und der Rückkehr der Airlines zu ihren langfristigen Flottenplanungen konnte sich die Branche 2022 weiter erholen", sagte Faury.

Erst am Dienstag hatte die Fluggesellschaft Air India den Kauf von 470 Maschinen bei den beiden großen Herstellern angekündigt und landete damit den größten Flugzeugkauf der Luftfahrtgeschichte. Der größte Teil des Auftrags geht mit 250 Jets an Airbus. Laut Air-India Manager Nipun Aggarwal hat sich die Gesellschaft bei Airbus und Boeing zudem Optionen über 370 weitere Flugzeuge gesichert. Faury wollte am Donnerstag nicht sagen, ob und welcher Anteil davon auf Airbus entfällt.

Gefragt sind auch wieder neue Großraumjets für den Langstreckenverkehr, der besonders stark unter der Pandemie und den internationalen Reisebeschränkungen gelitten hatte. Airbus will die Produktion seines Großraummodells A350 von derzeit sechs Stück pro Monat nun bis Ende 2025 auf neun Jets hochfahren. Die Produktion der etwas kleineren A330neo soll von zuletzt drei Exemplaren pro Monat bis zum Jahr 2024 auf vier Stück wachsen.

Im abgelaufenen Jahr steigerte Airbus seinen Umsatz trotz der Probleme um 13 Prozent auf knapp 58,8 Milliarden Euro. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) legte um 16 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro zu und übertraf damit sowohl das Ziel des Managements als auch die Erwartungen von Analysten.

Unter dem Strich blieb mit 4,25 Milliarden Euro rund ein Prozent mehr Gewinn übrig als im Vorjahr, obwohl Airbus für den Militärtransporter A400M fast eine halbe Milliarde Euro zur Seite legte. Faury erklärte die Belastung mit gestiegenen Kosten infolge der Inflation. Den Anteilseignern des Konzerns winkt allerdings eine deutlich höhere Dividende: Die Ausschüttung soll von 1,50 auf 1,80 Euro je Aktie steigen.

Für 2023 fasst Faury einen Anstieg des bereinigten operativen Gewinns auf rund sechs Milliarden Euro ins Auge. Der freie Barmittelzufluss vor Fusionen, Übernahmen und Kundenfinanzierungen dürfte von zuletzt fast 4,7 Milliarden auf nur noch rund 3 Milliarden Euro sinken. Finanzchef Dominik Asam nannte dies die Kehrseite der Medaille: Im vergangenen Jahr sei der Barmittelzufluss schließlich rund 1,2 Milliarden Euro höher ausgefallen als anfänglich geplant.

Für den scheidenden Asam hat Airbus inzwischen einen Nachfolger gefunden. Den Posten übernimmt zum 1. September Thomas Toepfer, derzeit Finanzchef des Kunststoffkonzerns Covestro , wie beide Unternehmen am Mittwochabend mitgeteilt hatten. Asam wechselt jedoch bereits im März zum Softwarekonzern SAP ./stw/nas/jha/