(neu: Aussagen aus Online-Pressekonferenz zu Plänen für 2024, ausgebuchter A320neo-Produktion, Lieferketten, Pratt & Whitney)

TOULOUSE (dpa-AFX) - Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat seinen kriselnden Konkurrenten Boeing 2023 erneut weit hinter sich gelassen. Trotz angespannter Lieferketten lieferte der europäische Hersteller 735 Verkehrsflugzeuge und damit über 200 mehr als sein Rivale aus den USA aus. Zugleich bestellten Kunden mehr als 2000 neue Airbus-Jets - ein Branchenrekord. Auch der Auftragsbestand erreichte mit fast 8600 Flugzeugen einen Spitzenwert. Vorstandschef Guillaume Faury will die Flugzeugproduktion deshalb erst recht kräftig ausweiten. Das Rekordniveau aus der Zeit vor der Pandemie werde 2024 aber noch nicht erreicht, stellte der Manager bei der Bekanntgabe der Zahlen am Donnerstagabend in Toulouse klar.

Im abgelaufenen Jahr übertraf der Dax-Konzern sein Ziel von 720 Flugzeug-Auslieferungen um 15 Maschinen. Noch 2022 hatte Airbus seine Pläne wegen knapper Bauteile wie Triebwerken und Sitzen zweimal gekappt und letztlich nur 661 neue Jets an die Kunden übergeben.

Im Jahr 2019 hatte Airbus 863 Flugzeuge ausgeliefert. Dann zwangen die Corona-Pandemie und die weltweiten Reisebeschränkungen den weltweiten Luftverkehr in die Knie, und die Flugzeughersteller strichen ihre Produktion deutlich zusammen. Inzwischen sind die Passagiere ebenso zurück wie die Nachfrage nach modernen und weniger spritdurstigen Jets. Doch Engpässe bei Zulieferern machen es den Herstellern schwer, wieder so viele Maschinen zu bauen wie vor der Krise.

Faury berichtete allerdings von einer verbesserten Lage in den Lieferketten und zeigte sich zuversichtlich, dass Airbus im laufenden Jahr mehr Flugzeuge ausliefern kann als 2023. Ein konkretes Ziel will er erst bei der Vorstellung der Jahresbilanz am 15. Februar nennen.

Der neue Leiter der Verkehrsflugzeugsparte, Christian Scherer, geht zudem davon aus, dass der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney genügend Antriebe liefern kann. Die Tochtergesellschaft des US-Konzerns RTX muss wegen eines Materialmangels Teile an rund 3000 bereits ausgelieferten Antrieben austauschen. Wegen der Reparaturen müssen allein im ersten Halbjahr 2024 weltweit bis zu 650 Airbus-Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo am Boden bleiben. Auch Pratt & Whitneys deutscher Partner MTU aus München ist davon betroffen.

An Aufträgen für neue Flugzeuge mangelt es Airbus nicht - ganz im Gegenteil. "Wir liefern nicht so schnell, wie es manche von uns erwarten", sagte Scherer. Allein im vergangenen Jahr sammelte der Hersteller Bestellungen über 2319 neue Passagier- und Frachtjets ein. Nach Abzug von Stornierungen waren es 2094 Stück, weit mehr als doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. So viele Aufträge hatten weder Airbus noch sein einzig relevanter Rivale Boeing je zuvor in einem Jahr verbucht.

"Ursprünglich gingen wir davon aus, dass sich der Luftverkehr irgendwann zwischen 2023 und 2025 erholen würde", sagte Scherer. Doch neben dem Bedarf an Mittelstreckenjets sei auch die Nachfrage nach Langstreckenflugzeugen viel früher und stärker zurückgekehrt als erwartet.

Airbus' Auftragsbestand wuchs binnen Jahresfrist von 7239 auf 8598 Verkehrsmaschinen. Der Anstieg entspricht fast der doppelten Jahresproduktion. Konkurrent Boeing holte im vergangenen Jahr netto 1314 Neubestellungen herein und hatte zum Jahreswechsel noch 6216 Jets offene Aufträge im Bestand.

Vor allem die Airbus-Mittelstreckenjets aus der Modellfamilie A320neo sind so stark gefragt, dass die Produktion laut Scherer bis Ende des Jahrzehnts ausgebucht ist. Im vergangenen Jahr entfielen fast 80 Prozent der ausgelieferten und bestellten Airbus-Maschinen auf diese Modellreihe. Hinzu kamen 96 Großraumjets, darunter 64 A350 und 32 A330neo, sowie 68 Exemplare des kleinsten Airbus-Modells A220.

Um die starke Nachfrage zu stillen, will das Management die Produktion der A320neo-Familie bis zum Jahr 2026 von zuletzt etwa 50 auf dann 75 Maschinen pro Monat ausbauen. Das sind rund anderthalb Mal so viele, wie Boeing für sein Konkurrenzmodell 737 Max anpeilt. Um das zu schaffen, errichten die Europäer in den USA und China je eine neue Endfertigungslinie. Eine zusätzliche Linie in Toulouse ist bereits in Betrieb.

Der Löwenanteil der Bestellungen entfällt inzwischen auf die Langversion A321neo, die in der Vergangenheit nur in Hamburg gefertigt wurde und künftig an allen Standorten gebaut werden soll. Eine Variante des Jets ist die A321XLR (Extra Long Range): Diesen kleinsten Langstreckenjet der Welt will Airbus im zweiten Quartal 2024 erstmals ausliefern, wie Scherer am Donnerstag bekräftigte.

Schon 2019 hatte Airbus seinen Rivalen Boeing als größten Flugzeugbauer der Welt abgelöst. Da war der US-Konzern nach dem Absturz zweier Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe in die schwerste Krise seiner Geschichte geraten. Zunächst durfte der Flugzeugtyp mehr als anderthalb Jahre lang weltweit nicht mehr starten. Später warfen Produktionsfehler und andere Mängel bei diesem Modell und anderen Flugzeugtypen den Hersteller immer wieder zurück.

So dürfen seit vergangenem Wochenende mehr als 170 Mittelstreckenjets vom Typ Boeing 737 Max 9 weltweit nicht abheben, nachdem bei einem Flug von Alaska Airlines ein Rumpfteil im Flug herausgesprungen war. Die Passagiere waren dabei nur knapp einem Unglück entgangen./stw/tih/he