BERLIN (dpa-AFX) - Während deutsche Plastikmüll-Exporte insgesamt stark sinken, steigt die Menge umstrittener Ausfuhren nach Asien einer Branchenschätzung zufolge etwas an. In mehrere Staaten dieses Kontinents seien in diesem Jahr insgesamt rund 107 000 Tonnen verschifft worden und damit 6000 mehr als 2021, teilte der Entsorgungsverband BDE auf Anfrage mit. Damit kommen diese Ausfuhren auf einen Anteil von circa 15 Prozent des gesamten deutschen Kunststoffabfall-Exports. Im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt ist das ein geringer Anteil, 2012 hatte er noch bei 71 Prozent gelegen - damals wurden 1,065 Millionen Tonnen nach Asien gebracht.
"Die Exporte nach Asien sind innerhalb von 10 Jahren um bemerkenswerte 90 Prozent zurückgegangen", sagt Verbandschef Peter Kurth. Unter den zehn wichtigsten Abnehmern von deutschem Kunststoff-Abfall ist Malaysia auf Platz 4 mit einem Anteil von acht Prozent (61 000 Tonnen). Indonesien kommt mit drei Prozent auf Platz 8 (25 000 Tonnen). Die Türkei (Platz 2, 93 000 Tonnen) wird in der Statistik Europa zugerechnet. Warum der Export in asiatische Staaten in diesem Jahr leicht anzog, ist unklar.
Während die Asien-Ausfuhren auf niedrigem Niveau stiegen, sank die Gesamtmenge der Plastikabfall-Exporte in diesem Jahr nach BDE-Angaben um 11 Prozent auf 727 000 Tonnen. Das war der niedrigste Wert seit 2005. Der Verband begründete das damit, dass die Inlandsnachfrage nach Plastik gewachsen sei. Binnen zehn Jahren hat sich die Plastik-Exportmenge den Angaben zufolge in etwa halbiert.
Bei den Ausfuhren wird der Abfall als Rohstoff gewertet, aus dem neue Produkte gefertigt werden sollen - ob Plastikflaschen, Straßenpoller, Blumentöpfe, Klodeckel, Polyester-Klamotten oder Verpackungen. Die Zahlen für den Zeitraum Januar bis Oktober 2022 stammen vom Statistischen Bundesamt, die letzten zwei Monate des Jahres hat der BDE hochgerechnet und kommt damit auf einen geschätzten Gesamtwert.
Müllausfuhren nach Asien sind ein brisantes Thema. Bilder von deutschem Plastikabfall in der freien Natur in ärmeren Staaten sorgten vor einigen Jahren für scharfe Kritik. Allerdings war unklar, an welcher Stelle der internationalen Handelskette der Schritt in die Illegalität erfolgte und die Abfälle eben nicht als Rohstoff verstanden wurden, der genutzt wird, sondern als Müll auf illegalen Deponien beseitigt wird. Die Hintermänner nutzten hierbei aus, dass die Kontrollmechanismen in ärmeren Staaten bisweilen nur schwach sind und mit krimineller Energie recht leicht umgangen werden können.
Der in Asiens freier Natur verrottende Müll aus der westlichen Welt führte in China vor einigen Jahren zu einem Umdenken. 2018 verschärfte Peking die Standards so stark, dass es de facto zu einem Importstopp kam. Danach verlagerten sich die Exportströme in andere asiatische Staaten, Malaysia wurde zeitweise der größte Abnehmer von deutschem Plastikabfall. Auch in Indien, Indonesien und Vietnam stiegen die Mengen.
Inzwischen spielt Asien bei den deutschen Abfall-Ausfuhren aber nur noch eine Nebenrolle. Das kleine Plus auf relativ niedrigem Niveau in diesem Jahr könnte aber ein Hinweis sein, dass Asien auch künftig ein nennenswerter Abnehmer von deutschem Plastikmüll bleiben wird.
Umweltschützern sind die Ausfuhren ein Dorn im Auge. Viola Wohlgemuth von Greenpeace spricht von einer "globalen Plastikkrise", die sich durch die Exporte verschärfe. Noch immer gebe es illegale Mülldeponien in Asien. Die "Graubereiche" und "die mafiösen Strukturen" bei Müllexporten seien mit den derzeitigen behördlichen Mitteln nicht wirksam kontrollierbar. Daher müssten diese Ausfuhren grundsätzlich verboten werden, sagt Wohlgemuth. "Erst wenn der Verpackungsmüll in Deutschland bleibt, werden hier ausreichende Recycling-Kapazitäten aufgebaut werden und Verpackungen schon beim Design auf echte Recyclingfähigkeit konzipiert."
Mit Blick auf die Asien-Exporte sagt die Umweltschützerin, dass es zwar gut sei, dass die Menge im Vergleich zum schlimmen vergangenen Jahrzehnt viel kleiner geworden sei. Dass die Menge gemessen am Vorjahr aber sogar etwas angestiegen sei, sieht sie mit Sorgen. "Das zeigt, dass Deutschlands Abfallbranche weiterhin auf Asien setzt und sich das Problem verstetigt, anstatt zu verschwinden."
Der BDE ist ebenfalls für eine effektive Bekämpfung illegaler Müllexporte. "Es liegt im Interesse der gesamten Entsorgungsbranche, illegale Aktivitäten bestmöglich zu bekämpfen und auszuschließen", sagt Verbandspräsident Kurth. "Nur so würde auch die Akzeptanz für notwendige und sinnvolle Abfallexporte zunehmen."
Grundsätzlich sei es aber gut, wenn möglichst viele Plastikabfälle in Deutschland verblieben, um sie als Recyclingrohstoff hierzulande zu nutzen und die heimische Wirtschaft unabhängiger von anderen Rohstoffeinfuhren zu machen. Ein generelles Verbot von außereuropäischen Exporten sieht Kurth aber skeptisch. "Das wäre nicht zielführend, schließlich ist in vielen Fällen der Export von Abfällen Voraussetzung dafür, dass deren Recycling gelingen kann."/wdw/DP/he