Halbjahresbilanz der chemisch-pharmazeutischen Industrie 2024 / Erstes

Halbjahr: Sonne und Regen

Frankfurt/Main (ots) -

- Produktion steigt im ersten Halbjahr um 3 Prozent

- Branchenumsatz sinkt im Vorjahresvergleich um 1 Prozent

- Erzeugerpreise gehen um 4 Prozent zurück

- VCI behält Prognose bei: Produktion + 3,5 und Umsatz + 1,5 Prozent

- Transformation steht auf dem Spiel, Politik muss bei Standortbedingungen

handeln

Das erste Halbjahr 2024 verlief für die chemisch-pharmazeutische Industrie in

Deutschland besser als erwartet. Einem sinkenden Branchenumsatz und fallenden

Erzeugerpreisen steht ein leichtes Produktionsplus gegenüber. Trotz einzelner

positiver Signale ist die Stimmung in der Branche jedoch nach wie vor verhalten.

Besonders das Inlandsgeschäft enttäuscht.

VCI-Präsident Markus Steilemann kommentiert die aktuelle Lage: "Es gibt einen

Silberstreif, aber von einem stabilen Aufwärtstrend kann keine Rede sein. Die

leichten Anzeichen der Erholung sind kein Grund zum Jubeln. Wir erwarten zwar,

dass sich die Auftragslage im Jahresverlauf verbessert. Die Signale leichter

Entspannung dürfen aber den Blick auf die Standortprobleme nicht verstellen:

Neben fehlenden Aufträgen bereiten uns die Energiepreise und die Bürokratie die

größten Sorgen."

In Summe ähnelte das erste Branchen-Halbjahr dem Wetter - es war geprägt von

sonnigen und regnerischen Abschnitten. Mehr Bestellungen von Kunden aus dem In-

und Ausland sorgten dafür, dass die Branche ihre Produktion im ersten Halbjahr

um 3 Prozent steigern konnte. Damit lag sie aber immer noch rund 11 Prozent

niedriger als 2021. Viele Anlagen waren deshalb nach wie vor nicht ausgelastet

und blieben unterhalb der Rentabilitätsgrenze.

Nach dem vorangegangenen starken Einbruch hat insbesondere die Grundstoffchemie

wieder Boden gutgemacht. Im ersten Halbjahr lag die Produktion anorganischer

Grundstoffe 12 Prozent höher als im Vorjahr. Auch die Produktion organischer

Grundstoffe legte mit 8,5 Prozent kräftig zu. Bei den übrigen Chemiesparten fiel

das Produktionsplus deutlich niedriger aus: Bei konsumnahen Chemikalien stieg

die Produktion nur leicht (2 Prozent), ebenso bei der Polymerproduktion (1,5

Prozent). Die Produktion in der Spezialchemie war erneut rückläufig (-2

Prozent). Grund dafür war, dass viele industrielle Kunden ihre Produktion im

ersten Halbjahr gedrosselt hatten und sich dementsprechend mit Bestellungen

zurückhielten.

Zuversicht kommt aus dem Pharmageschäft. Seit Jahresbeginn stehen die Zeichen

wieder auf Wachstum. Die Produktion legte im ersten Halbjahr um 1,5 Prozent zu.

Die hohe Nachfrage sorgte für ein Umsatzwachstum von 6 Prozent.

Insgesamt lag der Branchenumsatz von Chemie und Pharma im ersten Halbjahr mit

rund 112 Milliarden Euro rund 1 Prozent niedriger als im Vorjahr. Ursache dafür

waren vor allem die Erzeugerpreise , die im ersten Halbjahr unter Druck

gerieten. Sie sanken im Branchendurchschnitt um 4 Prozent.

Besonders im Inlandsgeschäft ist die Erlössituation trotz steigender

Verkaufsmengen weiter enttäuschend. Hier steht ein Minus von fünf Prozent in den

Büchern. Besser läuft es nach langer Durststrecke im Auslandsgeschäft. Der

Umsatz mit Exportprodukten verzeichnete in den ersten sechs Monaten des Jahres

ein leichtes Plus und lag 1,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Zweites Halbjahr: Konjunkturell besser, Stimmung gedämpft

Die Auftragslage in der Chemie dürfte sich - konjunkturell gesehen - im

Jahresverlauf weiter verbessern. Angesichts dieser Entwicklung bleibt der VCI

bei seiner Prognose für das Gesamtjahr: 3,5 Prozent Produktionsplus und ein

Umsatzplus von 1,5 Prozent. Wesentlicher Treiber bleibt das Auslandsgeschäft.

Die Stimmung in der Branche ist jedoch weiterhin gedämpft. Laut den Ergebnissen

der aktuellen VCI-Mitgliederbefragung spüren erst 30 Prozent der Unternehmen

eine konjunkturelle Erholung. Rund 50 Prozent hoffen im zweiten Halbjahr oder im

Jahresverlauf 2025 auf eine Besserung.

VCI-Präsident Markus Steilemann betont: "Zur Wahrheit gehört auch: Jedes fünfte

Unternehmen sieht noch kein Licht am Horizont und die konjunkturelle Erholung in

weiter Ferne. Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir haben zwar die Produktion

hochgefahren, unsere Anlagen laufen aber nach wie vor nicht rentabel, und das

seit über zweieinhalb Jahren." Zu stark belasten die strukturellen Nachteile am

Standort Deutschland. Die Unternehmen rechnen deshalb damit, dass sich die

Ertragslage im Gesamtjahr 2024 noch einmal verschlechtern wird.

Größtes Hemmnis bleiben Standortprobleme

Mehr als 70 Prozent der Unternehmen sehen sich durch regulatorische

Anforderungen massiv behindert. Damit bleibt die Bürokratie das größte

Geschäftshemmnis. Grund dafür sind nicht nur die dadurch entstehenden Kosten,

die laut VCI-Mitgliederbefragung mittlerweile bei rund 5 Prozent des Umsatzes

liegen, sondern auch die stetig steigende Zahl an neuen Regelungen, die die

Unternehmen zunehmend überfordern. Ein weiterer erheblicher Kostenfaktor für die

Unternehmen bleiben die hohen Energiepreise. Noch immer sehen 45 Prozent ihre

Geschäfte dadurch erheblich belastet. "In allen Punkten kann und muss politisch

gegengesteuert werden. Und die Ampel behauptet ja auch, dies zu tun. Doch die

Realität sieht anders aus", stellt Steilemann fest.

Auftragsmangel, hohe Energiepreise, steigende Bürokratie: In dieser Gemengelage

entscheiden sich immer mehr Unternehmen gegen den Standort Deutschland. Laut

VCI-Mitgliederbefragung gingen die Investitionen der Branche in Deutschland im

vergangenen Jahr um 2 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro zurück. Gleichzeitig

stiegen die Investitionen im Ausland mit rund 12 Milliarden Euro um gut 8

Prozent. Hinzu kommt, dass Deutschlands Wettbewerbsbedingungen immer mehr

ausländische Investoren abschrecken. Damit droht die Transformation, mit der

Deutschland zum Vorreiter für Zukunftstechnologien werden will, ins Stocken zu

geraten.

Ungenutztes Potenzial nicht liegen lassen

Dabei bringt Deutschland aus Sicht des Verbandes genügend Innovationspotenzial

mit, um auch eine Technologienation der Zukunft zu sein. Was fehlt, sind die

richtigen Rahmenbedingungen, um dieses Potenzial wettbewerbsfähig einsetzen zu

können. Für den VCI sind besonders drei Maßnahmen essenziell:

1. Gebühren senken

Wettbewerbsfähige Energiepreise durch Entlastungen bei der Stromsteuer und den

Netzentgelten. Plus Senkung der Unternehmens- und Körperschaftssteuer sowie

Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

2. Grundvoraussetzungen verbessern

Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur. Inklusive Ausbau der

Stromnetze, als Daseinsvorsorge auch in Teilen öffentlich finanziert.

3. Wettbewerbsregeln auffrischen

Weniger Bürokratie für mehr Investitionsanreize - auf nationaler und auf

EU-Ebene.

Einige dieser Maßnahmen können ohne Kosten durch kluge politische Entscheidungen

umgesetzt werden. Andere, wie die Finanzierung von Infrastruktur, Bildung und

Sicherheit, bedürfen Investitionen. Der neue Haushaltsplan und das

Wachstumspaket der Bundesregierung reichen dazu nicht aus. Nur mit einer

veränderten Priorisierung lassen sich letztendlich Maßnahmen umsetzen, die zu

mehr Wachstum und Innovation beitragen.

Der VCI fordert die Parteien der Ampel-Regierung und die Unionsparteien auf,

gemeinsam durch entschlossenes Handeln das verlorene Vertrauen von Unternehmen,

Investoren und nicht zuletzt der Bevölkerung zurückzugewinnen.

Klar ist aber auch: "Wir brauchen nicht nur Reformen auf der Sachebene. Wir

brauchen auch einen mentalen Wandel. Die Nation muss offensiver und dynamischer

werden. Eine gemeinsame ehrliche Anstrengung ist notwendig, um eine langfristig

angelegte nationale Transformationsagenda zu entwickeln, die auch über eine

Legislaturperiode hinaus Bestand hat. Ich rufe die Parteien der Mitte auf, sich

zu einem Bündnis für Transformation zusammenzufinden. Es ist allerhöchste Zeit,

dass wir Lagerdenken und Selbstsucht überwinden und alle zusammen Hand anlegen",

ermutigt Steilemann.

Der VCI und seine Fachverbände vertreten die Interessen von rund 2.300

Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und chemienaher

Wirtschaftszweige gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft,

der Wissenschaft und den Medien. 2023 setzten die Mitgliedsunternehmen des VCI

rund 245 Milliarden Euro um und beschäftigten über 560.000 Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter.

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OTS: Verband der Chemischen Industrie (VCI)