Energiekrise belastet deutschen Mittelstand
Berlin (ots) -
- Lagebeurteilungen verschlechtern sich, bleiben aber zufriedenstellend
- Investitionsneigung vermindert sich deutlich
- Bilanzqualität 2021 durch Sondereffekte weiter verbessert
Nach Corona und dem Krieg gegen die Ukraine ist die Energiekrise innerhalb
kurzer Zeit die dritte Krise, mit der sich die deutsche Wirtschaft
auseinandersetzen muss. Den daraus resultierenden negativen ökonomischen
Auswirkungen kann sich auch der Mittelstand nicht entziehen, zeigt eine
repräsentative Umfrage der DZ BANK und des Bundesverbands der Deutschen
Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter mehr als 1.000 mittelständischen
Unternehmen. Besonders deutlich wird dies an den Geschäftserwartungen, die
angesichts der enormen Kostenbelastungen auf einen neuen historischen Tiefstand
gesunken sind.
"Kräftig steigende Energie-, Rohstoff- und Vorleistungsgüterpreise, andauernde
Material- und Personalengpässe, eine schwächere Weltwirtschaft und enorme
Unsicherheiten, nicht zuletzt über die inländische Gasversorgung, setzen die
Unternehmen aus verschiedenen Richtungen unter erheblichen Druck", sagt Dr.
Andreas Martin, Vorstandsmitglied des BVR. Vor diesem Hintergrund drohe die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung erneut in eine Rezession abzugleiten. "Die
Erfahrungen der letzten Jahre lassen aber hoffen, dass der Mittelstand auch
unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich agieren wird.
Zuversichtlich stimmt, dass der Mittelstand als Ganzes seine Bilanzqualität
trotz konjunkturell teilweise sehr stürmischen Fahrwassers 2020 und 2021 nicht
nur bewahren, sondern merklich verbessern konnte", so Martin weiter.
Erwartungen brechen ein, Lagebeurteilungen sinken weniger deutlich
Die Geschäftserwartungen sind gegenüber der vorherigen Umfrage vom Frühjahr 2022
in allen betrachteten Branchen und Unternehmensgrößenklassen eingebrochen. Der
Saldo aus optimistischen und pessimistischen Antworten zu den
Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate ist im Herbst insgesamt auf
-43 Punkte gefallen. Er markiert damit ein neues Allzeit-Tief. Vor sechs
Monaten, als der Ukraine-Krieg gerade begonnen hatte, betrug der Antwortsaldo
noch "lediglich" -4 Zähler.
Selbst zum Höhepunkt der Finanzkrise waren die Mittelständler nicht so
pessimistisch gestimmt wie heute, was ihre Geschäftserwartungen betrifft.
Auch ihre aktuelle Geschäftslage bewerteten die Mittelständler schwächer als
zuvor. Der Antwortsaldo der Geschäftslage fiel von 60 Punkten im Frühjahr auf 45
Punkte, nachdem er vor einem Jahr noch bei 68 Punkten gelegen hat.
Es gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass sich die Stimmung bald wieder merklich
bessert. Denn immerhin sorgen sich die Unternehmen heute weniger um eine
mögliche Gasmangellage als noch vor ein paar Monaten. Durch die Lieferungen aus
Norwegen, Belgien und den Niederlanden sind die deutschen Gasspeicher vor dem
Winter gut gefüllt und die ersten Flüssiggasterminals dürften zum Jahresende ans
Netz gehen.
"Immer mehr Mittelständler beschäftigen sich zudem mit dem Thema Erneuerbare
Energien und viele haben bereits erste Investitionen angestoßen, um unabhängiger
zu werden", erklärt Uwe Berghaus, DZ BANK Firmenkundenvorstand. "Die Nachfrage
nach Finanzierungen in diesem Bereich hat seit Ausbruch des Krieges spürbar
zugenommen. Der Mittelstand hat das Potenzial, die Nutzung von Erneuerbaren
Energien in der deutschen Wirtschaft salonfähig zu machen."
Preissteigerungen weiter im Visier
Aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten, aber auch wegen deutlich höherer
Einkaufspreise sahen sich die Mittelständler zuletzt immer stärker zu
Preissteigerungen gezwungen. Rund drei Viertel aller Umfrageteilnehmer gaben
bereits zum zweiten Mal in Folge an, dass sie ihre Absatzpreise in den
vergangenen sechs Monaten erhöht haben. Preissenkungen haben demgegenüber
lediglich jeweils 2 Prozent der Befragten gemeldet.
Immerhin scheint sich langsam ein Ende der immer neuen historischen Höchststände
bei der Preisentwicklung anzudeuten. Zumindest ist in diesem Herbst der Anteil
der Unternehmen leicht gesunken, die in den kommenden sechs Monaten ihre Preise
erhöhen wollen. Gaben vor einem halben Jahr noch 69 Prozent der Befragten an,
dass sie ihre Absatzpreise steigern wollten, und nur 2 Prozent, dass sie
Preissenkungen planten, waren es in der aktuellen Umfrage 68 Prozent bzw. 6
Prozent. Damit fiel der Saldo aus geplanten Preissteigerungen und Preissenkungen
seit dem Frühjahr leicht von 67 Punkten auf 62 Punkte. Das ist aber immer noch
der zweithöchste Wert seit Bestehen der Mittelstandsumfrage.
Investitionsneigung gibt stark nach
Angesichts der hohen Kostensteigerungen und der bevorstehenden Rezession ist es
nicht weiter verwunderlich, dass die Investitionsneigung im Mittelstand in
diesem Herbst erneut gefallen ist. Das ist inzwischen bereits der dritte
Rückgang in Folge. Mittlerweile planen nur noch zwei Drittel der
mittelständischen Unternehmen, in den kommenden sechs Monaten in ihr Unternehmen
zu investieren. So gering war dieser Anteil seit der Finanzkrise nicht mehr.
Zudem planen nur noch 19 Prozent der Mittelständler, die in diesem Herbst und
Winter Investitionen tätigen wollen, ein höheres Investitionsvolumen, also nicht
einmal jeder Fünfte. Auch dieser Indikator fiel zuletzt in der Finanzkrise
schwächer aus.
Die größte Abnahme der Investitionsbereitschaft gab es bei den Mittelständlern
in der Elektroindustrie. Das Branchenschlusslicht bleibt aber weiterhin die
Agrarwirtschaft. Überdurchschnittlich fällt die Investitionsbereitschaft dagegen
bei den Mittelständlern in der Chemie- und Kunststoffbranche und bei den
Dienstleistungen aus.
Kosten und Fachkräftemangel als Dauerprobleme
Die Energiekrise zeigt direkte Auswirkungen auf die aktuellen Problemfelder der
mittelständischen Unternehmen. So haben die Energiekosten in diesem Herbst den
Fachkräftemangel als größtes akutes Problem abgelöst. 88 Prozent der
Mittelständler identifizierten die gestiegenen Energiekosten als Problem für ihr
Unternehmen. Vor einem halben Jahr waren es 82 Prozent der Befragten.
Auch wenn der Fachkräftemangel damit von seiner Spitzenposition bei den
aktuellen Problemfeldern rutscht, ist er weiterhin ein dringliches Problem für
den Mittelstand. Vier von fünf Befragte identifizieren den Fachkräftemangel auch
weiterhin als wichtiges aktuelles Problem. In der Frühjahrsumfrage waren es mit
83 Prozent der Befragten aber noch etwas mehr gewesen.
Auf Rang 3 der von den Mittelständlern derzeit meistgenannten Problemfelder
folgt wie schon in der Frühjahrsumfrage die Sorge um die hohen Rohstoff- und
Materialkosten. Auch dies betrifft rund 80 Prozent der Befragten und damit nur
marginal weniger als vor einem halben Jahr (81 Prozent). Im Bau und im
Ernährungsgewerbe sind es sogar jeweils 91 Prozent. Noch im Frühjahr 2021
belasteten die Rohstoff- und Materialkosten nur knapp 56 Prozent.
Bilanzqualität 2021 weiter gestiegen
Die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken konnten
ihre Bilanzqualität in den Jahren 2020 und 2021 mehrheitlich weiter steigern.
Nach aktuellem Datenstand kletterte der Bilanzqualitätsindex 2020 gegenüber dem
Vorjahr um unerwartet kräftige 26,8 Punkte auf 154,7 Punkte. Anschließend
erhöhte sich der Index 2021 um ebenfalls überraschend deutliche 10,7 Punkte auf
165,4 Punkte. Im Frühjahr 2022 zeichneten sich für die beiden Jahre noch
wesentlich schwächere Anstiege ab. Maßgeblich für den starken Anstieg des
Bilanzqualitätsindexes waren krisenbedingte Sondereffekte: Zur Sicherung ihrer
Zahlungsfähigkeit und zum Schutz vor Überschuldung in der Coronakrise haben die
Unternehmen im Mittel ihre Liquidität spürbar erhöht und ihre Verschuldung
erheblich vermindert.
Ein Exkurs zum Krisenjahr 2020 verdeutlicht aber auch, dass die
betriebswirtschaftliche Entwicklung in den Unternehmen teilweise recht
unterschiedlich verlief. Einige Unternehmen konnten ihren Umsatz und ihren
Ertrag trotz des schwierigen Konjunkturumfelds merklich steigern, andere mussten
herbe Verluste hinnehmen.
Über die Studie "Mittelstand im Mittelpunkt"
Die Gemeinschaftsstudie "Mittelstand im Mittelpunkt" liefert eine umfassende
Analyse des deutschen Mittelstands. Sie setzt sich zusammen aus der VR
Bilanzanalyse und der VR Mittelstandsumfrage. Grundlage für die VR
Mittelstandsumfrage sind Telefon- und Onlineinterviews, die im Zeitraum vom 12.
September bis zum 17. Oktober 2022 durchgeführt wurden. Die Stichprobe von mehr
als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und
Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Basis für die VR
Bilanzanalyse sind die Abschlussdaten (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche
die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im
Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2021 einreichten
(insgesamt gut 2,3 Millionen Abschlüsse).
Ansprechpartner:
Steffen Steudel, Pressesprecher des BVR
Tel. +49 30 2021-1333
mailto:s.steudel@bvr.de
Lisa Unbehaun, Pressesprecherin der DZ BANK
Tel. +49 69 744752322
mailto:lisa.unbehaun@dzbank.de
Pressekontakt:
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR)
Melanie Schmergal, Abteilungsleiterin Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit / Pressesprecherin
Telefon: (030) 20 21-13 00, mailto:presse@bvr.de, http://www.bvr.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/40550/5392062
OTS: BVR Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenban
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