Weichgespült, Kommentar zur EU-Energiepolitik von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich bei ihrem

Gipfeltreffen am Donnerstag erneut mit den hohen Energiepreisen befassen - wie

schon so oft in den zurückliegenden Monaten. Und wie so oft werden sie sich wohl

erneut nicht einig sein, wie eine gemeinsame Antwort aussehen kann. Zuletzt

hatten die informellen Beratungen vor zwei Wochen in Prag ja mit Zwietracht in

dieser Frage geendet. Dies ist auch durchaus verständlich: Denn der Energiemix

der einzelnen EU-Staaten, ihre Importabhängigkeiten und ihre Einkaufsstrategien

auf den Märkten sowie ihre Energieinfrastrukturen sind so verschieden wie ihre

finanzpolitischen Spielräume. Die Interessen sind daher nur schwer unter einen

Hut zu bringen. Es gibt zwar einen europäischen Stromnetzverbund. Aber von einer

Energieunion ist die EU noch weit entfernt.

Trotzdem werden die Staats- und Regierungschefs bei ihrem jetzigen Treffen in

Brüssel wohl grünes Licht für einen Großteil des Gaspakets geben, das die

EU-Kommission in dieser Woche im Kampf gegen die hohen Preise vorgelegt hat. Und

auch dies ist nachvollziehbar: Denn zum einen gilt es, gegenüber Bürgern und

Unternehmen eine Art Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Und zum anderen ist

das Kommissionspaket ein typisch europäischer Kompromiss, der viele Vorschläge

irgendwie aufgreift, aber in einer weichgespülten Art und Weise.

Beispiel gemeinsamer Gaseinkauf: Die Befürworter setzen darauf, dass eine

Bündelung der Nachfrage die Preise drücken kann - wobei stets ignoriert wurde,

dass es private Versorger sind, die den Einkauf verantworten und die miteinander

im Wettbewerb stehen. Brüssel will jetzt, dass die Konzerne lediglich 15 % der

Speicher mit einem gemeinsamen Einkauf füllen. Das kann man machen. Aber eine

richtige Einkaufsmacht gegenüber den Gasproduzenten sieht sicherlich anders aus.

Beispiel neuer Gaspreisindex: Auch dieser könnte sicherlich positive Wirkungen

zeigen - aber nur für Flüssiggaspreise und auch nur, wenn die Märkte die neue

Benchmark auch akzeptieren. Ebenso wie beim gemeinsamen Einkauf wäre eine

überschaubare Preisdämpfung aber erst in einem Jahr zu spüren.

Und der von einer Mehrheit der EU-Staaten befürwortete Gaspreisdeckel? Den

werden die Staats- und Regierungschefs möglicherweise für den Einsatz in der

Stromproduktion beschließen - dann aber wohl nur mit vielen Einschränkungen

versehen, so dass er auch für Länder wie Deutschland tragbar wäre. Die

EU-Kommission hat zudem noch ein Preisdeckelchen in Form einer kurzfristigen

"dynamischen Obergrenze" auf den Märkten vorgeschlagen. Details hierzu bleiben

vorerst offen.

Gemeinsamer Einkauf, neue Benchmark, Höchstpreise - all diese Maßnahmen werden

die Energiekrise in Europa kaum lösen. Denn sie bekämpfen nicht die eigentliche

Ursache der Preisexplosion: die fehlenden Strom- und Gasmengen. Um hieran etwas

zu ändern, muss die Energieinfrastruktur in der EU ausgebaut werden - von den

Strom- und Gasnetzen über neue LNG-Terminals bis hin zu zusätzlichen

Erzeugungskapazitäten im Bereich der Erneuerbaren. Nur wenn diese Engpässe

geschlossen und die Gasimporte weiter diversifiziert werden, wird es auch eine

Entspannung an der Preisfront geben.

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