Wall Street ohne Feuer, Marktkommentar von Alex Wehnert
Frankfurt (ots) - An der Wall Street ist das zum laufenden Quartal entzündete
Feuer der Hoffnung schon nach wenigen Wochen niedergebrannt. Während die
Aussicht auf eine republikanische Mehrheit im US-Kongress nach den
Zwischenwahlen in der neuen Woche die Anleger weitgehend kaltlässt, lastet die
restriktive Geldpolitik der Federal Reserve umso stärker auf dem
Investorensentiment. Schließlich hatten die Marktteilnehmer im Rahmen der
jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses zwar mit einer erneuten Zinserhöhung
um 75 Basispunkte gerechnet, sich aber klare Signale für eine Kehrtwende der
Notenbank erhofft. Dass die Währungshüter ihren Kampf gegen die hohe Inflation
noch längst nicht als erledigt ansehen, bedeutet einen nicht zu unterschätzenden
Schlag für die großen US-Indizes, die mit entsprechenden Kursverlusten in den
November gestartet sind.
Dabei kommt die Wall Street gerade aus einer überraschend starken Phase. Der Dow
Jones legte im Oktober um nahezu 14 % zu und verzeichnete somit seinen besten
Monat seit 1976, während der S&P 500 immerhin um fast 8 % kletterte. Gerade beim
marktbreiten US-Barometer ist aber eine Entwicklung auffällig: Die fünf nach
Marktkapitalisierung führenden Werte, die während der langanhaltenden
Börsenrally zwischen März 2020 und Ende 2021 einen Großteil der Wertschöpfung
des Index generiert hatten, haben sich nun zur Kursbremse entwickelt. Microsoft,
Amazon, Tesla und die A-Aktie von Alphabet schlossen den Oktober mit einer
negativen Entwicklung ab, Apple bildete die einzige positive Ausnahme unter den
fünf Spitzentiteln.
Dagegen zog der S&P 500 Equal Weight, in dem die Komponenten nicht nach
Marktkapitalisierung allokiert, sondern allesamt fix mit 0,2 % gewichtet werden,
um 9,7 % an. Dies stellte die stärkste monatliche Performance seit November 2020
dar, zugleich weitete sich der Abstand zwischen den Erträgen des S&P 500 Equal
Weight und jenen der fünf Mega Caps auf das höchste Niveau seit 2016 aus.
Die Analysten von Bloomberg Intelligence sehen diese Divergenz als Beweis dafür
an, dass die Wall Street nicht in einem so umfassenden Ausmaß von ihren
schwersten Werten abhängig ist wie weithin angenommen. Zur Wahrheit gehört
allerdings auch, dass selbst der Equal-Weight-Index im laufenden Jahr erst zwei
Monate, in denen die fünf führenden Aktien schwächelten, mit Gewinnen abschloss
- im Mai rettete er sich dabei nur sehr knapp ins Plus.
Der kapitalisierungsgewichtete S&P 500 leidet folgerichtig ungleich stärker
unter schwachen Phasen der Spitzentitel. Und dafür, dass solche schwierigen
Zeiten auch in den kommenden Monaten bevorstehen, sprechen neben der Aussicht
auf weitere kräftige Zinserhöhungen der Federal Reserve auch die jüngsten
Unternehmensdaten aus dem Tech-Sektor. Der trübe Konjunkturausblick und die
damit einhergehende sinkende Ausgabebereitschaft von Kunden im Werbegeschäft
setzten Tech-Riesen wie Alphabet und insbesondere Meta Platforms im dritten
Quartal zu. Nachdem die Facebook-Mutter Ende Oktober den zweiten
vierteljährlichen Umsatzrückgang in Folge und einen scharfen Gewinnrückgang
vermeldete, stürzte ihre Aktie binnen eines Handelstages um bis zu 25 % ab.
Die Prognose des Social-Media-Konzerns für das Schlussquartal lässt ebenso wenig
Optimismus zu wie der Ausblick von Amazon. Mit seinen Erlösschätzungen lag der
E-Commerce-Gigant weit unter den Markterwartungen, der Börsenwert des
Unternehmens rutschte in der Folge erstmals seit April 2020 unter die Marke von
1 Bill. Dollar ab. Die fundamentale Schwäche und die infolge der kontraktiven
Geldpolitik weiter erschwerten Finanzierungsbedingungen für Unternehmen drohen
also das weit niedergebrannte Feuer der Hoffnung an der Wall Street erlöschen zu
lassen.
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