Too big to fail, Kommentar zu Uniper von Lutz Knappmann

Frankfurt (ots) - Wie dramatisch die Entwicklungen im europäischen Energiemarkt

derzeit auseinanderdriften, belegen allein die Schlagzeilen vom Mittwochmittag:

Da kündigt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Gesetz an, um

übermäßige Gewinne von Energieunternehmen, die seit Monaten von den massiven

Preissteigerungen profitieren, abzuschöpfen und umzuverteilen. Nahezu zeitgleich

bestätigt Deutschlands größter Gasimporteur Uniper, dass er mit der

Bundesregierung über seine mögliche Verstaatlichung verhandelt.

In beiden Fällen muss also der Staat eingreifen: einerseits, um zu verhindern,

dass Energiekonzerne auf Kosten ihrer Kunden schwindelerregende Gewinnsprünge

verbuchen. Andererseits, um zu verhindern, dass der größte deutsche Gashändler

kollabiert - und damit die Energieversorgung von Millionen Privat- und

Unternehmenskunden gefährdet.

Die Ursachen sind in beiden Fällen gleich: die Abgängigkeit von Russland als

Gaslieferant, die Europa anfällig und erpressbar gemacht hat. Und eine

Marktstruktur im Energiegeschäft, in der sich einzelne Player zu

systemrelevanten Infrastrukturbetreibern entwickeln konnten. Uniper, einst als

fossile Bad Bank vom zum Grünstromproduzenten konvertierten Mutterkonzern Eon

abgespalten, ist schlicht "too big to fail".

Zwar betont das Bundeswirtschaftsministerium, dass in den laufenden Gesprächen

mit Uniper und ihrem finnischen Mehrheitseigner Fortum eine Verstaatlichung noch

keineswegs entschieden sei. Doch ein Blick auf die Geschäftszahlen des

Energiekonzerns genügt, um zu erkennen: Ernsthafte Alternativen gibt es

angesichts der sich immer weiter verschärfenden Marktsituation nicht mehr.

Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Verluste bei Uniper bis zum Jahresende

auf 18 Mrd. Euro auftürmen könnten. Im August hatte der Konzern bereits seine

Kreditlinien bei der KfW aufgebraucht und musste zusätzliches Geld abrufen. Ohne

weitere staatliche Hilfe ist Uniper nicht überlebensfähig.

Überraschend kommt das alles nicht. Bei Uniper haben die Beteiligten die Folgen

der selbstgeschaffenen Abhängigkeiten unterschätzt.

Massive Kritik etwa hagelte es für die Entscheidung, einen derart relevanten

Betreiber kritischer Infrastruktur überhaupt an den finnischen Konzern Fortum zu

verkaufen. Dass der mittlerweile keinen Hehl mehr daraus macht, seine deutsche

Problemtochter gerne loszuwerden, verschärft die Debatte über die Finanzhilfen

aus Steuermitteln. Als "nicht hilfreich" brandmarken Branchenkenner zudem die

Tatsache, dass Uniper von ihrem einstigen Mutterhaus Eon zum Start in die

Eigenständigkeit einen gewaltigen Schuldenberg mitgegeben bekam. Auch wenn eine

derartige Kulmination wirtschaftlicher und politischer Krisen, wie sie

mittlerweile herrscht, selbst für Pessimisten nicht absehbar war - teuer wird es

für die Steuerzahler nun in jedem Fall. Auch wenn noch offen ist, ob die

Milliarden für eine Verstaatlichung von Uniper etwa aus dem

Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen könnten.

Da ist es zumindest psychologisch hilfreich, dass ausgerechnet am selben Tag der

Ausstieg des Bundes bei der Lufthansa signalisiert: Manchmal geht ein

staatliches Rettungsmanöver auch mit einem üppigen Gewinn aus.

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