Stimmung tief im Keller / Kommentar zum Ausblick für den Aktienmarkt

von Christopher Kalbhenn.

Frankfurt/M. (ots) - Erneut musste der Dax in der abgelaufenen Woche einen

Ausbruchsversuch nach oben abbrechen und eine Niederlage im Kampf um die Marke

von 13.000 Zählern hinnehmen. Dabei begann die Woche zu­nächst mit einer Avance

auf Höhen von mehr als 13.500 Punkten gut. Am Mittwoch dann die Ernüchterung,

die alten Probleme holten den Aktienmarkt wieder ein, so dass der Index wieder

unter die Marke von 13.000 Punkten zurückfiel.

Die Inflation in den USA erweist sich als überaus hartnäckig, wie die Daten vom

August deutlich machten. Die Jahresrate ist im Vergleich zum Vormonat nur von

8,5% auf 8,3% gesunken, die Jahresveränderung der Kernrate sogar von 5,9% auf

6,3% gestiegen. Damit ist klar, dass die US-Zentralbank Fed weiterhin ihren

Leitzins deutlich anheben wird, in ihrer Sitzung in der neuen Woche um 75

Basispunkte, wenn nicht gar, wie manche meinen, gleich um einen vollen

Prozentpunkt.

Entlastung für die Aktienmärkte, ebenso wie für die Anleihemärkte, ist auch für

die kommenden Wochen nicht in Sicht. Die Inflations- und Zinssorgen sowie damit

verbunden die auch vom Angebotsschock befeuerten Rezessionsrisiken werden die

Marktteilnehmer weiterhin verunsichern. Die globale Fondsmanagerumfrage der Bank

of America hat zuletzt sehr deutlich gezeigt, wie groß die Verunsicherung ist.

Noch nie hat ein so großer Anteil der Befragten angegeben, ein über das übliche

Maß hinaus niedriges Risiko zu fahren und in Aktien untergewichtet zu sein.

Eine Stimmung tief im Keller gilt als ein in die andere Richtung weisendes

Signal, als ein Zeichen, dass die Marktteilnehmer so verunsichert sind und der

Aktienmarkt so ausverkauft ist, dass es nicht mehr viel schlimmer werden kann,

eher sogar die Saat für eine Gegenbewegung nach oben gelegt ist. Derzeit dürfte

das jedoch wohl im besten Fall für kurzfristige Gegenbewegungen reichen statt

für eine Erholung, die als wirklich nachhaltig bezeichnet werden könnte.

Denn es zeichnet sich nicht ab, dass sich die Nachrichtenlage, was Inflation,

Zinsen, Konjunktur, Energieknappheit und vor allem den schrecklichen

Ukraine-Krieg betrifft, schnell verbessern wird. Stattdessen drohen aus Sicht

des Aktienmarktes noch weitere Gewitter. Die Folgen der Krise beginnen nämlich

immer deutlicher ihre Spuren bei den Konsumenten und den Unternehmen zu

hinterlassen. Negative Meldungen über zunehmende operative Probleme häufen sich

und könnten für weitere Belastungen sorgen.

Eine - hoffentlich nicht für allzu viele Firmen repräsentative - Kostprobe

lieferte zuletzt der Intralogistik-Konzern Kion. Aufgrund höherer Kosten für

Material, Komponenten, Lohn und Logistik, die nicht hinreichend weitergereicht

werden können, Problemen in der Lieferkette und einer geringeren Nachfrage

avisierte das Unternehmen für das dritte Quartal einen Verlust. Die Aktie sackte

am Mittwoch um rund 30% ab und erreichte am Freitag ein Rekordtief von 21,67

Euro. Damit hatte der Titel seit der Verlustwarnung fast 36% eingebüßt, seit dem

Jahresbeginn 77,5%.

In der aktuellen Gemengelage geben Marktexperten für die nächste Zeit fast

unisono eher skeptische Markteinschätzungen ab. Die immer restriktiver werdende

US-Geldpolitik bleibe einer der größten Risikofaktoren für Aktien, so die

Commerzbank am Freitag. Jedoch sei ein Großteil der Aktieninvestoren bereits

negativ gestimmt, und in den USA setzten viele Investoren mit Short-Positionen

auf fallende Aktien. "In diesem Spannungsfeld dürften sich die Aktienmärkte

weiterhin unter starken Schwankungen seitwärts bewegen", so das Institut. "Der

Dax dürfte dabei in den kommenden Monaten größtenteils zwischen 11.500 und

13.500 Punkten notieren.

Ob die zu erwartende Leitzinsanhebung der amerikanischen Zentralbank um 75

Basispunkte reichen wird, die Inflation in den Griff zu kriegen, muss sich laut

der Landesbank Baden-Württemberg noch zeigen. Dass diese härtere Gangart die

Konjunktur möglicherweise in die Rezession stürze, werde wohl in Kauf genommen.

Am Ende werde die Gewinnentwicklung der Unternehmen darunter leiden. Größere

Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen stünden daher noch bevor. In Europa

hätten die Bewertungen dies bereits ein gutes Stück weit vorweggenommen. Im

stürmischen Börsenherbst sei dennoch weiterhin eine defensive Ausrichtung

angebracht. Zum Jahresende erwartet das Institut den Dax bei 13000 Zählern.

(Börsen-Zeitung, 17.09.2022)

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