Seltene Eintracht, Kommentar zum Ceta-Handelsabkommen von Stefan

Reccius

Frankfurt (ots) - Gewöhnlich reiben Politiker der Sozialdemokraten und

Wirtschaftsvertreter sich mit Vorliebe aneinander, einer Meinung sind sie

selten. Umso bemerkenswerter, was mit Blick auf das EU-Freihandelsabkommen mit

Kanada zu beobachten ist: Die Ratifizierung von Ceta durch den Deutschen

Bundestag sei "überfällig", geben wortgleich Industriechef Siegfried Russwurm

und der oberste Handelspolitiker im EU-Parlament, Bernd Lange von der SPD, zu

Protokoll. Mit dem Chef des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, wiederum ist

SPD-Politiker Lange einer Meinung, dass Ceta insbesondere für kleine und

mittelständische Unternehmen ein Segen ist.

Überdeutlich zeigt diese seltene Eintracht, dass die Hängepartie eine Farce

gewesen ist. Seit mehr als fünf Jahren ist Ceta reif zur Ratifizierung. Die

große Koalition aus Union und SPD hat sich nicht herangetraut, weil die

Vorbehalte in der Bevölkerung zu groß schienen. Teile der Grünen gehören seit

jeher zu erklärten Gegnern. Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt für sich in

Anspruch, in Brüssel Klarstellungen zum Investitionsschutz erwirkt zu haben. Das

ist kaum mehr als parteipolitische Folklore, um die eigene Basis gnädig zu

stimmen. Kollege Lange von der SPD, nicht gerade als Verfechter eines zügellosen

Freihandels zulasten der kleinen Leute bekannt, findet das Investitionskapitel

in Ceta jedenfalls seit jeher "solide".

Dass SPD und Grüne sich nun doch trauen, zusammen mit der FDP Fakten zu

schaffen, liegt deshalb vermutlich auch an einem weiteren Umstand: Der

Sicherheitsabstand zu den gescheiterten TTIP-Verhandlungen mit den USA ist groß

genug. Die endeten vor sechs Jahren nach Massenprotesten in Deutschland und der

Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Fiasko. Die Nichtratifizierung von Ceta

war damals eher ein Kollateralschaden.

Dass die Ampel sie nun nachholt, ist ebenso naheliegend wie zwangsläufig. Mit

wem sollte Deutschland künftig überhaupt noch mehr Handel treiben, wenn nicht

mit einer lupenreinen Demokratie wie Kanada? Die Nordamerikaner stehen nicht nur

für die gleichen hehren Werte in der Klimapolitik, sondern auch als Lieferant

von Rohstoffen und als Partner bei Zukunftstechnologien parat. Man denke an

Nickel, Kobalt und Wasserstoff - und das Schlagwort Energiewende.

In Teilen findet Ceta ohnehin längst Anwendung. Hauptsächlich hat die

Entscheidung daher Signalwirkung: Mit Deutschland ist in der Handelspolitik

wieder zu rechnen. Das ist dringend nötig in einer Zeit, da mit den USA ein

Subventionswettlauf um E-Autos und Halbleiter Gestalt annimmt. Ein neuer Anlauf

für Handelsgespräche mit den USA ist unumgänglich. Die Ratifizierung von Ceta

ist die Ouvertüre.

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