Riskanter Kurs, Kommentar zur US-Geldpolitik von Peter De Thier

Frankfurt (ots) - In einer Zeit, in der die wirtschaftliche Entwicklung von den

Folgen einer globalen Pandemie, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und

geopolitischer Unsicherheit geprägt ist, ist es nicht leicht, akkurate Prognosen

zu erstellen. Gleichwohl sorgte der jüngste US-Verbraucherpreisindex insofern

für eine gewisse Erleichterung bei Ökonomen, als er nach Ansicht der meisten

Volkswirte zu signalisieren scheint, dass die Inflation ihren Höhepunkt

überschritten haben dürfte. Doch ist dem wirklich so, oder ist der Rückgang der

CPI-Gesamtrate, die nun zwei Monate in Folge nachgegeben hat, kaum mehr als ein

Silberstreif am Inflationshorizont?

Entscheidend dafür, dass sich der Preisauftrieb verringert hat, ist der Rückgang

der Energie- und speziell der Benzinpreise, die während des Sommers nicht nur

die Reisepläne, sondern das gesamte Konsumverhalten der Haushalte beeinflusst

haben. Wird diese höchst volatile Komponente ausgeklammert, dann bleibt die

Inflation im historischen Vergleich weiter hoch - getrieben von steigenden

Lebensmittelpreisen, Wohnkosten und Kosten der Krankenversorgung.

So gesehen ist es kein Wunder, dass Experten kommende Woche eine weitere

Zinserhöhung der Fed um 75 Basispunkte als gegeben ansehen und einige sogar

glauben, dass die Fed einen noch aggressiveren Zinsschritt beschließen und

womöglich sogar ihren Bilanzabbau beschleunigen könnte. Dafür spricht unter

anderem, dass in Sachen Inflation vor allem Dienstleistungen kräftigen

Nachholbedarf haben und sich weiter verteuern werden. Daher ist noch für längere

Zeit mit Zinserhöhungen zu rechnen.

Unterdessen ist ungewiss, welche Wirkung die geldpolitische Straffung entfalten

wird und ob Fed-Chef Jerome Powell das Risiko eingeht, den Bogen zu überspannen.

Natürlich sind die Währungshüter noch von den Zuständen der frühen 1980er Jahre

entfernt, als unter dem damaligen Fed-Vorsitzenden Paul Volcker zweistellige

Zinssätze zur Tagesordnung gehörten. Dennoch muss sich die Fed heute die Frage

stellen, inwieweit sie mit höheren Zinsen und einer Reduktion der Bilanzsumme

allein die Inflation in den Griff bekommen kann.

Einfluss hat sie nämlich ausschließlich auf die nachfrageseitige Komponente der

Teuerung, nicht aber auf die Angebotsseite, wie kein Geringerer als Powell

selbst festgestellt hat. Angesichts der beispiellosen Lieferkettenstörungen als

Folge der Pandemie, des ungewissen Kriegsverlaufs in der Ukraine und anderer

Unwägbarkeiten, insbesondere auf geopolitischer Ebene, die ebenfalls auf die

Inflation durchschlagen, sind der Fed nämlich Grenzen gesetzt.

Gleichzeitig darf die Notenbank nicht die gesamtwirtschaftlichen Folgen ihrer

Geldpolitik aus dem Auge verlieren. Nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen

negativen Wachstums bleibt nämlich die Rezessionsgefahr in den USA akut. Dazu

wird im weiteren Verlauf auch die verschärfte Geldpolitik beitragen. Das zeigt

sich bereits am Häusermarkt, wo die Hypothekenzinsen unverhältnismäßig hoch sind

und viele Käufer am Eigenheimerwerb hindern. Die Fed muss die Zügel straffer

ziehen, daran führt kein Weg vorbei. Doch sie darf auf keinen Fall die

Konjunkturrisiken übersehen, die in den kommenden Monaten weiter zunehmen

werden.

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