Paukenschlag für die Märkte, Kommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Die Nachricht hat an den Finanzmärkten wie ein Paukenschlag

gewirkt. Im Oktober ist die US-Jahresteuerung nach 8,2 % im Vormonat auf 7,7 %

gefallen, deutlicher, als erwartet worden war (7,9 %). Die Daten befeuerten die

Hoffnungen, dass ein signifikanter Inflationsrückgang der US-Zentralbank

Spielraum verschafft, das Zinsanhebungstempo zu verlangsamen, und auch das

Gesamtausmaß der Erhöhungen geringer ausfallen wird. Für die nächste Sitzung der

Fed im Dezember preisen die Geldmarkt-Futures nun eine Erhöhung von 50 statt 75

Basispunkten ein, das eingepreiste Leitzinshoch liegt nun bei unter 5 %.

Die reduzierten Zinserwartungen und der dadurch angeregte Risikoappetit ließen

den bereits in den Tagen zuvor unter Druck stehenden Dollar absacken. Der

Dollar-Index fiel am Freitag bis auf 106,7 Punkte, nachdem er tags zuvor noch

zuhöchst bei rund 111 Zählern gelegen hatte. Gegenüber ihrem mehrjährigen

Höchststand von Ende September hat die Währung, die einer der großen Gewinner

dieses Jahres ist, damit 7 % eingebüßt. In sämtlichen Assetklassen hat das

Ereignis Wellen geschlagen, nicht zuletzt auch am Aktienmarkt. Vor allem die in

diesem Jahr arg gebeutelten hochbewerteten Growth- bzw. Technologietitel

sprangen in die Höhe, der Nasdaq 100 gewann am Donnerstag 7,3 %. Der Dax stieg

über die Marke von 14000 Punkten bis auf 14264 Zähler am Freitag, womit er

gegenüber seinem Tief von Ende September von 11863 Punkten bereits um 2400

Zähler zugelegt hat.

Die Frage ist nun, wie nachhaltig die fulminante Erholungsbewegung der

Aktienmärkte ist bzw. ob sie sich in nächster Zeit fortsetzen kann. Neben den

Hoffnungen auf ein geringeres Zinserhöhungstempo wurde sie auch von dem zuvor

sehr ausgeprägten Pessimismus der Marktteilnehmer getrieben. Letzterer ist

mittlerweile zu einem großen Teil abgebaut. Zudem ist, was die Zinserwartungen

betrifft, eigentlich nichts Neues passiert. Mit der Einpreisung einer

Leitzinserhöhung der Fed von "nur" 50 Basispunkten im Dezember ist der Markt

lediglich auf den Stand von vor wenigen Wochen zurückgekehrt. Zudem bewegt sich

die Inflation nach wie vor auf hohem Niveau, und die Leitzinsen werden eben

weiter steigen, mit all den damit verbundenen Risiken für die Konjunktur und die

Unternehmensgewinne.

Wahrscheinlich haben allerdings auch sie zuletzt zur Aufwärtsbewegung an den

Aktienmärkten beigetragen. Denn auch im dritten Quartal zeigen sie sich

unerwartet robust. Laut Refinitiv haben bislang mehr als ein Drittel der

Unternehmen des Stoxx 600 ihre Zahlen vorgelegt, und davon haben 60 % die

Erwartungen übertroffen, was sich mit einem üblichen Anteil von 53 % vergleicht.

Ferner gehen die Analysten laut Refinitiv davon aus, dass die Stoxx 600-Firmen

insgesamt für das Quartal einen Gewinnanstieg im Vorjahresvergleich von rund 32

% zeigen werden.

Jedoch bedeutet das sich abschwächende Wachstum bzw. die bevorstehende

Rezession, dass das Gewinnwachstum vor einem Einbruch steht. Laut Refinitiv

erwartet der Konsens, dass es im vierten Quartal und dann im ersten Quartal 2023

auf 20,5 % und 4,1 % sinken wird und dann im weiteren Verlauf des kommenden

Jahres negativ wird. Aktienmärkte nehmen das Tief der Gewinnentwicklung

üblicherweise vorweg, aber es wird eben noch dauern, bis dieses Tief erreicht

wird, da der Abschwung der Gewinne noch gar nicht begonnen hat.

Experten rechnen denn auch mit schwierig bleibenden Fahrwassern für die

Aktienmärkte. Der aktuelle restriktive geldpolitische Trend deute auf weiteren

Abwärtsdruck auf die Ergebnisse der S&P-500-Unternehmen in den nächsten

Quartalen hin, so die UBS. Die Chance-Risiko-Aussichten der kommenden drei bis

sechs Monate sähen für Aktien ungünstig aus. "Wir glauben nicht, dass die

markökonomischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Marktrally gegeben sind",

so die Bank. "Allerdings könnten starke Schwankungen der Anlegerstimmung

vorübergehende Gegenbewegungen treiben, wie die zurückliegenden Handelssitzungen

gezeigt haben." Die Marktvolatilität werde wahrscheinlich hoch bleiben. Nach den

niedriger als erwartet ausgefallenen US-Inflationszahlen sei der Dax wieder über

die Marke von 14000 Punkten gesprungen, so die Commerzbank. "Die überraschend

starke Dax-Rally dürfte aber nun an Fahrt verlieren. Wir erwarten bis zum

Frühjahr 2023 weiterhin eine große Nervosität mit hohen Kursschwankungen an den

Aktienmärkten." Jedoch hätten die US-Inflationszahlen die kurzfristigen

Aktienmarktaussichten deutlich aufgehellt.

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