Keine verfrühte Pause, Kommentar zum Fed-Zinsentscheid von Mark

Schroers

Frankfurt (ots) - Von Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan stammt das schöne

Bonmot: "Ich weiß, dass Sie glauben, Sie wüssten, was ich Ihrer Ansicht nach

gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob Ihnen klar ist, dass das, was Sie

gehört haben, nicht das ist, was ich meinte." Ein wenig fühlt man sich daran

erinnert nach der jüngsten Pressekonferenz des amtierenden Fed-Chefs Jerome

Powell und dessen differenzierten wie mitunter divergierenden Aussagen zum

weiteren Zinskurs. Unter dem Strich aber bleibt die Botschaft hängen: Die Fed

sieht ihre Arbeit im Kampf gegen die Inflation noch nicht als erledigt an und

dürfte folglich weiter die Zinsen anheben - und das ist auch gut so.

Powell und die Seinen haben zwar angedeutet, dass sie das Tempo bei weiteren

Zinsanhebungen drosseln könnten - nachdem sie den Leitzins nun zum vierten Mal

in Folge um 75 Basispunkte und seit März um in dieser Zeit beispiellose 375

Punkte erhöht haben. Zugleich haben sie aber klargemacht, dass der Leitzins auf

ein "ausreichend restriktives" Niveau angehoben werden soll, um die Inflation

von zuletzt 8,2 % auf das 2-Prozent-Ziel zu drücken. Mehr noch: Powell hat zudem

erklärt, dass der Endpunkt im Zinserhöhungszyklus höher liegen könnte als die

zuletzt von der Fed erwarteten 4,6 % im nächsten Jahr. Das von vielen Investoren

heiß ersehnte Signal für eine Kehrtwende - "pivot" - zu einer weniger

aggressiven Fed-Haltung ist das gewiss nicht. Die zwischenzeitliche Party an den

Märkten währte am Mittwochabend denn auch nur kurz.

Die Fed liegt damit aber richtig. Natürlich macht es Sinn, nach einer so raschen

Zinsstraffung nun weniger aggressiv vorzugehen. Es gilt nicht zuletzt, die stark

zeitverzögerte Wirkung dieser Politik einzuschätzen. Und tatsächlich nimmt auch

in den USA der wirtschaftliche Stress zu, nicht zuletzt am Immobilienmarkt. Fakt

ist aber auch, dass der Arbeitsmarkt weiter sehr stark ist und es bislang kaum

Signale für einen raschen, deutlichen Rückgang der US-Inflation gibt - auch wenn

der Höhepunkt überschritten zu sein scheint. Deswegen wäre es jetzt verfrüht,

eine Zinspause einzulegen. Das wäre ein fatales Signal in Sachen

Inflationserwartungen.

Noch mehr gilt das für Forderungen nach baldigen Zinssenkungen. Wenn die

US-Wirtschaft im nächsten Jahr komplett abstürzen sollte und dadurch starke

disinflationäre Kräfte entstehen sollten, werden die Karten womöglich neu

gemischt und dann könnte die Fed ihren Zins wieder senken müssen. Bislang

spricht aber vieles allenfalls für eine milde Rezession, und aktuell muss der

Kampf gegen die hohe Inflation Top-Priorität haben - gerade um der langfristigen

Wirtschaftsentwicklung willen. Das Risiko, jetzt zu straff zu sein, erscheint

aktuell geringer als die Gefahr, zu wenig zu tun. Das gilt im Übrigen nicht nur

für die Fed, sondern auch für die Europäische Zen­tralbank (EZB). Auch die EZB

darf jetzt nicht einknicken.

Dass es nun in den USA und mutmaßlich auch andernorts zu einer Rezession kommt,

um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, hat auch sehr viel mit der

kolossalen Fehleinschätzung der Zentralbanken in Sachen Inflationsentwicklung zu

tun - die sich auch nicht allein mit dem Ukraine-Krieg entschuldigen lässt. Das

wird in der Zukunft aufzuarbeiten sein - und für Fed, EZB & Co. könnte das noch

richtig ungemütlich werden.

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