Hunt drückt auf Reset, Kommentar zu Großbritannien von Andreas Hippin
Frankfurt (ots) - Der neue britische Schatzkanzler Jeremy Hunt hat den
Reset-Knopf gedrückt. Die von seinem Vorgänger Kwasi Kwarteng angekündigten
Steuersenkungen werden nicht kommen, die Energiepreise werden nur bis April
gedeckelt. Dass Hunt damit vor die Medien trat und nicht Premierministerin Liz
Truss, zeugt von der Macht, über die der Sprössling des englischen Landadels in
der angeschlagenen Regierung verfügt. Hunts Aufgabe ist es, die Glaubwürdigkeit
der Regierung am Finanzmarkt wiederherzustellen.
Entsprechend rigoros fallen die von ihm befürworteten Kürzungen aus. Sein
Vorgänger hatte keine in Erwägung gezogen. Hunt hatte für den Feinschliff keine
Zeit, denn die Bank of England bestand darauf, keine weiteren Stützungskäufe am
Markt für britische Staatsanleihen zu tätigen. Wäre es nach Kwartengs Planung
gegangen, hätten Investoren noch mit zwei weiteren Wochen Ungewissheit leben
müssen.
Es war nicht etwa die Abschaffung des Spitzensteuersatzes, die am Bondmarkt
Beunruhigung ausgelöst hatte. Vielmehr war es die Vorstellung der britischen
Regierung, sich nach Belieben Geld leihen zu können, ohne auch nur ansatzweise
erklären zu müssen, wie sie es am Ende zurückzahlen will. Wer eine Deckelung der
Energiepreise ankündigt, deren Kosten auf einen dreistelligen Milliardenbetrag
geschätzt wurden, sollte sich mit den unabhängigen Haushaltshütern vom Office
for Budget Responsibility sowie den Karrierebeamten von Schatzamt und Bank of
England gut stellen, statt ihnen aus ideologischen Gründen den Kampf anzusagen.
Ob eine Regierung Steuergeschenke an die Reichen verteilt oder Wohnungen für die
Ärmsten baut, ist den Käufern von Staatsanleihen herzlich egal, solange sich
dadurch Kredit- und Zinsänderungsrisiko nicht erhöhen.
Truss hoffte, einen Wachstumsschub auslösen zu können. Das war für die Anleger
wenig glaubwürdig. Denn es war nicht absehbar, wie lange es dauern würde, die
für das in Aussicht gestellte jährliche Wachstum von 2,5 % nötige Deregulierung
durch die Institutionen zu pauken, selbst wenn Truss' Fraktion hinter ihr
gestanden hätte. Ob Big Bang 2.0 für die City, Änderungen in Gesundheitswesen
und Kinderbetreuung oder Planungsreform: Vorhaben dieser Art stehen mächtige
Interessengruppen entgegen. Hunt stand bislang selbst auf der anderen Seite. Er
hatte sich vehement gegen Pläne gewandt, Fracking in seinem Wahlkreis zu
ermöglichen.
Das Pfund und die Kurse britischer Staatsanleihen reagierten zunächst positiv.
Doch dürfte schon bald in den Vordergrund rücken, dass die vertrauensbildenden
Maßnahmen Hunts das kriselnde Land in eine tiefere Rezession drücken werden. Die
politische Ungewissheit wird andauern, solange Truss im Amt bleibt. Die bereits
von Kwartengs Vorgänger Rishi Sunak gewollte Erhöhung der Körperschaftsteuer
wird Firmen nicht zu Investitionen anregen. Der Verzicht auf die Senkung des
Einstiegssteuersatzes bei der Einkommensteuer sorgt dafür, dass die Menschen
weniger Geld in der Tasche haben werden. Trendverstärkend kommt hinzu, dass die
Bank of England im November den Leitzins kräftig erhöhen will. Vor dem Neustart
kommt das Herunterfahren. Das gilt nicht nur am PC.
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