Hase und Igel, Kommentar zur Bank of England von Andreas Hippin

Frankfurt (ots) - Die Bank of England demonstriert gerade, wie man einer sich

anbahnenden Finanzkrise nicht begegnen sollte. Ihr Handeln kommt immer wieder zu

spät. Es ist zu zaghaft, und ihren Ankündigungen wird am Markt kein Glauben mehr

geschenkt. Was sich derzeit am Markt für langlaufende britische Staatsanleihen

(Gilts) abspielt, erinnert an das im Märchen von Hase und Igel beschriebene

Wettrennen. So sehr sich der stolze Hase auch abmüht, es tönt ihm doch stets das

"Ick bün all hier" des Igels entgegen, der sich ebenso wenig an die Regeln hält

wie viele Akteure am Finanzmarkt.

In der City war es ein offenes Geheimnis, dass viele britische Pensionsfonds den

finanziellen Hebel ansetzen, um ihren Finanzierungsstatus besser aussehen zu

lassen. Mit Hilfe von Derivaten lassen sich auch Mittel freisetzen, um mit

riskanteren Anlagen als inflationsgeschützten Staatsanleihen ein bisschen mehr

Rendite zu erwirtschaften. Als die Teuerungsrate immer neue Höhen zu erklimmen

begann, riet man Kunden deshalb häufig, lieber in inflationsgeschützte

US-Staatsanleihen (Tips) zu investieren. Denn Gilts werden vor allem von

britischen Pensionsfonds gehalten. Diese Konzentration bei den

Eigentumsverhältnissen birgt im Vergleich zu Tips ein unnötiges Risiko für

Anleger.

Als die Marktzinsen nach Vorstellung des Wachstumsplans der Regierung in die

Höhe schnellten, weil Schatzkanzler Kwasi Kwarteng die Gegenfinanzierung dabei

ausgespart hatte, wurde es schnell eng für große Fonds. Die Kurse von Gilts

gingen auf Talfahrt. Die Gegenparteien der Derivatgeschäfte stellten plötzlich

erhebliche Nachschussforderungen an die Pensionsfonds, die nicht über

ausreichend Liquidität verfügten und deshalb Gilts verkaufen mussten. Um zu

verhindern, dass sich dieser Teufelskreis noch schneller dreht, griff die Bank

of England schließlich mit der Ankündigung ein, Gilts mit Restlaufzeiten ab 20

Jahren in unbegrenztem Umfang zu kaufen.

Doch war die Stabilisierung am Markt von kurzer Dauer, stellte sich doch schnell

heraus, dass die Notenbank nur in weit geringerem Umfang als den zunächst

ermöglichten 5 Mrd. Pfund pro Tag Anleihen erwarb. Schnell bewegten sich die

Renditen der zehnjährigen Gilts wieder in Richtung ihres Hochs von Ende

September. Da half auch die nachgeschobene Mitteilung nicht, das tägliche Limit

auf 10 Mrd. Pfund zu verdoppeln. Die Ausweitung des Kaufprogramms auf

inflationsgeschützte Titel wird ebenso wenig helfen. Eine schnell ins Leben

gerufene Repo-Fazilität kann von den Pensionsfonds nicht direkt genutzt werden.

Und so eilt die Bank of England von Brand zu Brand, ohne zu löschen. Längst

glaubt kaum noch einer, dass das Anleihenkaufprogramm am Freitag auslaufen wird.

Viele Pensionsfonds werden gezwungen sein, weiter Assets abzuverkaufen, um ihre

Absicherungsgeschäfte aufrechtzuerhalten, egal wohin sich die Kurse entwickeln.

Verabschiedet sich die Bank of England tatsächlich von der Marktstabilisierung,

rauschen sie erst richtig ab.

Natürlich gäbe es auch die Möglichkeit einer geldpolitischen Antwort auf die

Sorgen der Igel vor einer ausufernden Staatsverschuldung. Aber die Geldpolitiker

der Notenbank sind noch zaghafter als ihre Finanzstabilitätshüter.

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