Gefährliche Preiskorrektur, Kommentar zum Immobilienmarkt von Anna

Steiner

Frankfurt (ots) - Die Immobilienpreise sinken. Endlich, möchte man fast sagen,

kannten sie doch jahrelang nur eine Richtung: stetig bergauf. Nun gehen sie

erstmals seit acht Jahren zurück - um homöopathisch erscheinende 0,4 Prozent

gegenüber dem Vorquartal. Doch die Trendwende, die Finanzierer und Ökonomen

zuletzt bereits erwartet hatten, hat damit begonnen: Die Preise für Wohneigentum

werden in den kommenden Monaten eher weiter sinken als wieder steigen. Was den

Traum vom Eigenheim zunächst in greifbarere Nähe zu rücken scheint, birgt

Gefahren.

Der Grund für sinkende Preise ist auch auf der Nachfrageseite zu suchen: Das

Ende der ultralockeren Geldpolitik, das die Notenbanken spätestens im

zurückliegenden Sommer zur Bekämpfung der sehr hohen Teuerungsraten weltweit

eingeläutet haben, lässt die Kreditzinsen steigen. Auch die hohe Inflation

selbst und die steigenden Baukosten - nicht zuletzt aufgrund der über viele

Monate anhaltenden Materialengpässe und des Fachkräftemangels - dämpfen die

Nachfrage.

Die Stimmung in der Immobilienbranche ist verständlicherweise im Keller. Auch

die Baubranche gibt sich pessimistisch und spricht angesichts der gestiegenen

Kosten von einer regelrechten "Stornierungswelle". Doch nicht nur für die

Wirtschaft, auch für Wohnraumsuchende ist das aktuelle Ungleichgewicht von

Angebot und Nachfrage eine Herausforderung. Viele Interessenten mit geringem

Eigenkapital und einem hohen Bedarf an Fremdfinanzierung durch Banken legen ihre

Pläne für den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses aufgrund der gestiegenen

Zinskosten auf Eis. Stattdessen verbleiben sie vorerst im Mietmarkt und die dort

dringend notwendige Entlastung lässt auf sich warten. Das starke

Bevölkerungswachstum in Deutschland - im ersten Halbjahr 2022 stieg die Zahl der

Einwohner erstmals über 84 Millionen Menschen - macht bezahlbaren Wohnraum umso

begehrter. Und die Regierung kommt nicht mit dem Neubau hinterher. Das Ziel von

400000 neuen Wohnungen - inklusive 100000 Sozialwohnungen - im Jahr erscheint

utopisch. Die Baubranche rechnet mit halb so vielen Fertigstellungen bis 2024.

Eine schwächelnde Nachfrage nach Kaufimmobilien trifft auf eine steigende

Nachfrage nach Mietwohnungen bei abnehmender Bautätigkeit und zunehmender

Bevölkerung. Eine explosive Mischung, die den Immobilienmarkt völlig aus dem

Gleichgewicht bringen kann. Die Korrektur der Preise mag zwar angesichts der

Hausse der vergangenen Jahre notwendig gewesen sein. Um den Kollaps des

Wohnungsmarktes zu verhindern, sollte die Politik aber dringend Investitionen in

den Neubau fördern.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung

Redaktion

Telefon: 069-2732-0

www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5401264

OTS: Börsen-Zeitung