Fatales Signal an Europa, Kommentar zum Ergebnis der Italien-Wahl von
Gerhard Bläske
Mailand (ots) - Giorgia Meloni ist die eindeutige Gewinnerin der
Parlamentswahlen in Italien. Die Koalition aus ihren postfaschistischen Fratelli
d`Italia, der rechtsnationalen Lega von Matteo Salvini und Berlusconis
Mitte-Rechts-Gruppierung Forza Italia hat eine klare Mehrheit errungen. Für
Europa sind das in diesen ohnehin schwierigen Zeiten alles andere als gute
Nachrichten. Die Märkte sind besorgt, der Renditeabstand zwischen deutschen und
italienischen Staatsanleihen ist deutlich gestiegen. Meloni hat ihre Nähe zu
Ungarns Premierminister Victor Orban und Polens Mateusz Morawiecki immer wieder
unterstrichen. Von dort und von einigen rechtsextremen Parteien in Europa kommen
denn auch die freudigsten Glückwünsche und Hoffnungen auf eine Zeitenwende in
Europa.
Doch Meloni hat frühere Forderungen nach einem Austritt aus dem Euro aufgegeben
und verhält sich auffällig zurückhaltend. Sie bleibt vorsichtig, denn sie weiß,
dass Italien in Zeiten des Krieges Europa mehr denn je braucht. Die
Energiepreise explodieren, es drohen eine Rezession und weiter steigende Zinsen.
Das alles bedeutet für das mit 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
verschuldete Bel Paese eine starke Belastung, die es allein nicht schultern
kann. Jede unbedachte Äußerung wäre fatal und würde die Finanzmärkte alarmieren.
Meloni muss nun auch eine überzeugende und europa-kompatible
Regierungsmannschaft aufstellen. Die Europäische Zentralbank, die ein Drittel
der italienischen Staatsanleihen hält, hat zwar eigens für Italien ein
geldpolitisches Instrument entwickelt, das das Land gegen einen überbordenden
Zinsanstieg der Bonds schützen kann. Doch der Mechanismus wird nur dann
aktiviert, wenn sich Rom an Regeln hält. Italien ist außerdem größter Nutznießer
des europäischen Wiederaufbauprogramms. Voraussetzung für die Auszahlung der
Mittel ist, dass eine klare Reformagenda vorgelegt wird.
Meloni muss nicht nur die Märkte und Europa im Auge behalten, sondern auch
unfinanzierbare Forderungen ihrer stark geschrumpften Koalitionspartner wie
einen schuldenfinanzierten Nachtragshaushalt, eine Mindestrente von 1000 Euro
und einen Vorruhestand abwehren. Dazu kommen stark russlandfreundliche
Positionen Salvinis, aber teilweise auch Berlusconis. Sie hat eigentlich keine
Wahl, als sich klar zu europäischen Werten zu bekennen, ähnlich wie sie die
Mehrheit der europäischen Partner vertritt - wenn sie Italien nicht in noch
größere Schwierigkeiten bringen will.
Der Spagat zwischen den Erwartungen der Anhänger ihrer Koalition und einer
Politik der Vernunft kann aber kaum gelingen. Gut möglich, dass Meloni schon
bald an den Realitäten scheitert und schnell entzaubert wird. Das passierte vor
ihr schon Matteo Renzi, der 5-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini, die ihren
Kredit bei den Wählern sehr schnell verspielt hatten. Anders als unter Mario
Draghi ist aber eine verstärkte europäische Integration mit Meloni nicht zu
machen.
Europa sollte ihr dennoch die Hand reichen, dabei aber deutlich machen, dass das
Land keine Sonderbehandlung mehr erwarten kann. Es steht zu viel auf dem Spiel -
für Italien, aber auch für Europa, denn Italien ist "too big to fail". Die erste
Nagelprobe wird der Haushalt für 2023.
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