Erst die Moral, Kommentar zur Diskussion über Übergewinnsteuern von

Andreas Hippin

London (ots) - Geld kann man nie genug haben, schon gar nicht als

Finanzminister. Blickt man auf die munter sprudelnden Gewinne der britischen

Schwergewichte BP und Shell, ist es kein Wunder, dass Rishi Sunak die Öl- und

Gasbranche des Landes im Mai mit einer Übergewinnsteuer von 25 Prozent belegt

hat. Damals war er noch Schatzkanzler und hoffte auf Einnahmen von 5 Mrd. Pfund

in den ersten zwölf Monaten. Nun steht er als Premier vor der Frage, ob er die

Windfall Tax auf 30 Prozent erhöhen soll. Denn nicht nur die großzügige

Kurzarbeitsregelung während der Pandemie hatte ihren Preis. Auch die Deckelung

der Energiekosten der privaten Haushalte bis April kommenden Jahres ist nicht

billig. Der Staatsapparat ist ziemlich aufgebläht, doch Kürzungen rufen meist

großen Ärger hervor. Steuererhöhungen sind dagegen einfach, solange sie nur die

vermeintlich Bösen treffen. Greta sei Dank, dass man nicht mehr erklären muss,

warum die Öl- und Gaskonzerne dazugehören. Sie mögen zwar im Geld schwimmen,

doch ein besseres Ansehen können sie sich davon nicht kaufen. Und bei ihnen ist

wenigstens etwas zu holen. Deshalb wurde ihnen schon vor der Übergewinnsteuer

ein Steuersatz von 40 Prozent abverlangt.

Möglich wäre auch, die Banken mit einer weiteren Sonderabgabe zu belegen: einer

Windfall Tax auf die Zinsen ihrer Einlagen bei der Bank of England. Schließlich

kommt da ein er­kleckliches Sümmchen zusammen, seitdem der Leitzins steigt. In

der Öffentlichkeit würde sich kein Widerstand dagegen regen. Denn das Image der

Branche hat sich bis heute nicht davon erholt, dass die Kosten der Finanzkrise

der Allgemeinheit aufgeladen wurden.

Man könnte auch Sonnen- und Windstromproduzenten zur Kasse bitten, die auf Grund

der Art und Weise, wie der Strompreis berechnet wird, exorbitante Ge­winne

eingefahren haben. Doch anders als in der Dreigroschenoper gilt in diesem Fall

offenbar: Erst kommt die Moral. Übergewinne? Alles eine Frage der Definition.

Doch es ist wie verhext! Shell geht nicht davon aus, für das abgelaufene Quartal

Übergewinnsteuer zu zahlen. Auch im Gesamtjahr könnte das Unternehmen auf seine

rege Investitionstätigkeit im Vereinigten Königreich verweisen. Denn wer sein

Geld in die Öl- und Gasförderung in der Nordsee steckt, kann für jedes

investierte Pfund fast doppelt so viel absetzen wie zuvor. BP rechnet bislang

damit, für das laufende Jahr lediglich 800 Mill. Dollar Windfall Tax an den

britischen Fiskus abführen zu müssen.

Die von Sunak erhofften 5 Mrd. Pfund werden so wohl nicht zusammenkommen. Dafür

sorgt die Übergewinnsteuer für die dringend benötigten Investitionen in das

britische Energiesystem. Dazu gehört die Erschließung des Gasfelds Jackdaw

östlich von Aberdeen durch Shell. Das Problem mit der Moral besteht nämlich

darin, dass er­neuerbare Energien den Bedarf des Landes bei weitem noch nicht

decken können. Gas ist immer noch eine bessere Alternative für den Übergang als

das Weiterlaufenlassen ausgedienter Kohlekraftwerke.

Sunak wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als noch einmal zu überlegen, was

der Staat alles nicht leisten muss. Geringere Ausgaben sind eine gute Lösung,

wenn Steuererhöhungen nicht viel einspielen.

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