Ein Schritt vor und zwei zurück, Kommentar zum Weltklimagipfel von
Lutz Knappmann
Frankfurt (ots) - Natürlich ist es reine Symbolpolitik. Aber kann es sein, dass
die Evangelische Kirche in Deutschland gerade konkretere Maßnahmen gegen den
Klimawandel beschlossen hat als die grob geschätzt 34000 Teilnehmer des
Weltklimagipfels? Spritsparende 100 km/h sollen Kirchenvertreter auf der
Autobahn mit ihren Dienstwagen künftig höchstens fahren. Schließlich sei es
Auftrag der Kirche, die Schöpfung zu bewahren, begründete die EKD-Synode ihre
Entscheidung. Die evangelische Entdeckung der Langsamkeit wird einen äußerst
überschaubaren Effekt auf das Weltklima haben. Aber in einer an Symbolen reichen
Klimapolitik bietet sie zumindest etwas Konkretes.
Anders als das Gros der Beschlüsse auf der am Sonntag zu Ende gegangenen
Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich. Viel wird gefordert im
Last-Minute-Kompromiss für das Abschlussdokument. Im Grunde aber, so monieren
viele Teilnehmer, gehe er nicht über die Ergebnisse der letzten Klimakonferenz
in Glasgow hinaus. Und selbst das ist, glaubt man Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck, nur auf Druck westlicher Staaten gelungen.
Ohne Zweifel: Die Einigung auf einen Ausgleichsfonds für Klimaschäden in ärmeren
Ländern ist ein bedeutsamer Durchbruch. Nur bleibt sein Volumen ebenso ungeklärt
wie die hochsensible Frage, wer eigentlich einzahlen muss und wer Geld aus dem
Fonds beanspruchen kann. Unwillkürlich drängt sich einem das in Jahrzehnten
kreativen Umweltaktivismus überstrapazierte Gedicht in den Kopf, das mit der
Zeile endet, "dass man Geld nicht essen kann".
Realität ist, dass sich bei der Vorsorge gegen Klimaschäden in Scharm El-Scheich
nichts bewegt hat. Das Ziel eines schrittweisen Ausstiegs aus der Kohle bestand
schon vorher. Für einen Ausstieg aus Öl und Gas fand sich keine Mehrheit. Und
das 1,5-Grad-Ziel hat es nur mit Mühe überhaupt ins Dokument geschafft. Die
Gipfelstaaten befinden sich klimapolitisch im Rückwärtsgang.
Dass Außenministerin Annalena Baerbock deshalb beklagt, einige wenige Länder
leisteten "erbitterten Widerstand", was "mehr als frustrierend" sei, ist
natürlich ein medienwirksames Statement. Aber auch ein bisschen unehrlich.
Deutschlands Energiepolitik der letzten Monate taugt nun wirklich nicht zum
Klimaschutz-Vorbild: Gaspreisbremse, Strompreisdeckel, Tankrabatt - und eine
brachiale, angstgetriebene Öl- und Gas-Einkaufstour, die dazu beigetragen hat,
die Preise für fossile Energieträger zeitweise auf Rekordhöhen zu katapultieren.
Anreize zum Energiesparen oder zu einem konsequenten Ausstieg aus
klimaschädlichen Energiequellen liefert das nicht. Stattdessen dümpeln vor der
deutschen Küste LNG-Tankschiffe, die ihre teure Fracht kaum abladen können, weil
es an Infrastruktur fehlt. Immerhin konnte sich die Republik vergangene Woche
über ein schwimmendes LNG-Terminal in Wilhelmshaven freuen, das in einem Anfall
bürokratischer Effizienz bereits nach 200 Tagen einsatzbereit ist.
Aber ist es Ihnen auch aufgefallen? Der Begriff "Erneuerbare" ist bislang noch
gar nicht vorgekommen. Versorgungssicherheit schlägt Klimaschutz, die
Inflationsangst ist größer als die Sorge um die Zukunft künftiger Generationen.
Seien wir ehrlich: Am Ende ist die Klimapolitik nur ein Spiegel unserer eigenen
Prioritäten.
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