Bitterer Vorgeschmack, Kommentar zum Rekordverlust der Schweizer

Notenbank von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Einen Rekordverlust von satten 132 Mrd. sfr (rund 134 Mrd.

Euro) hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) 2022 erwirtschaftet. Erst zum

zweiten Mal in mehr als 115 Jahren ihrer Historie gehen damit der Bund, die

Kantone und die privaten Anteilseigner leer aus. Für die SNB ist das alles

andere als schön, aber wohl auch kein allzu großes Problem: Die öffentliche

Kritik hält sich in Grenzen. Das Beispiel liefert aber zugleich einen

Vorgeschmack auf das, was auch anderen Notenbanken dräut. Und da könnte es

weniger glimpflich ausgehen. Vor allem für die Europäische Zentralbank (EZB)

kann es noch ganz bitter werden.

Was die SNB be­trifft, ist bekannt, dass die Gewinne heftig schwanken. Das

erklärt in Teilen, warum der jetzige Verlust keinen Aufschrei auslöst. Auch die

hohe Reputation der SNB und die erfolgreiche Geldpolitik - die Inflation in der

Schweiz lag 2022 bei gerade mal 2,8 Prozent - trägt sicher dazu bei. Der

Rekordverlust resultiert schließlich aus den Devisenreserven, die die SNB im

Kampf gegen eine zu starke Aufwertung des Franken angehäuft hat. Weil sie dabei

anders als etwa die EZB primär ausländische Wertpapiere ge­kauft hat, haftet

ihrem Handeln auch weniger der Vorwurf fiskalischer Dominanz an.

Wenngleich der Fall der SNB in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall ist, belegt er

eindrucksvoll, wie rasant sich aktuell die finanziellen Rahmenbedingungen für

die Zentralbanken verändern. Auch die US-Notenbank Fed und die EZB stehen

infolge der raschen Zinswende vor enormen Verlusten, die locker in den zwei-

oder sogar dreistelligen Milliardenbereich gehen können. Auch das muss man nicht

dramatisieren. Man sollte aber auch nicht leichtfertig darüber hinweggehen.

Erstens: Ja, Zentralbanken sind keine profitorientierten Un­ternehmen, und sie

können sogar mit negativem Eigenkapital operieren. Trotzdem kann sich mit

Verlusten der öffentliche Druck erhöhen. Schon jetzt wächst in Euroland der

Druck auf die nationalen Zentralbankchefs zu erklären, warum sie keinen Beitrag

mehr zu den öffentlichen Finanzen leisten - und das zu einer Zeit, in der sich

Italiens Regierung unrühmlich damit hervortut, die Unabhängigkeit der EZB

infrage zu stellen. Große Verluste mit fiskalischen Konsequenzen sind da Wasser

auf die Mühlen der Kritiker.

Zweitens: Ja, Verluste schränken den kurzfristigen geldpolitischen Spielraum

kaum ein. Tatsächlich steht ak­tu­ell weder bei der Fed noch bei der EZB zu

befürchten, dass sie nur wegen etwaiger Verluste ihre eingeleitete

geldpolitische Straffung beenden. Da ist sicher die größere Gefahr, dass sie

wegen Signalen für ein Überschreiten des Inflationshöhepunkts voreilig eine

Kehrtwende vollziehen. Perspektivisch be­steht aber durchaus das Risiko, dass

das Vertrauen in eine Notenbank und Währung Schaden nimmt. Diese Gefahr darf man

nicht ganz negieren.

Die absehbaren Verluste von Fed & Co. sind die Kehrseite der ultralockeren

Geldpolitik der vergangenen Jahre. Das heißt nicht, dass solche Maßnahmen

künftig nicht mehr ergriffen werden sollten, wenn das Ziel stabiler Preise das

erfordert. Aber es zeigt sich, dass sie doch nicht kostenlos, kein "free lunch"

sind, und dass die Geldpolitik sehr wohl Grenzen hat. Im Fall der EZB rächt sich

das zu lange Festhalten an den Anleihekäufen nun doppelt - über eine zu hohe

Inflation und hohe Verluste.

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