Bain-Studie zu Lage und Perspektiven der Kreditwirtschaft -
Deutschlands Banken befinden sich im Auge des Sturms
München (ots) -
- Nach gut zehnjähriger Talfahrt können die Kreditinstitute ihre
Eigenkapitalrendite zum zweiten Mal in Folge auf nunmehr 3,2 Prozent steigern
- Wirken Banken nicht entgegen, droht ihre Profitabilität aufgrund von Inflation
und Rezession mittelfristig wieder deutlich zu fallen
- Eine Rendite von 7 bis 9 Prozent ist in diesem turbulenten Umfeld 2026
machbar, wenn Institute ihre Transformation forcieren und Geschäftsmodelle
optimieren
- Acht Stellhebel - vom Ausbau des ESG-Geschäfts bis hin zur vermehrten Nutzung
von Web3-Technologien - stehen im Fokus
Hinter Deutschlands Banken liegt ein stürmisches Jahrzehnt, geprägt von den
Folgen der globalen Finanzkrise, den Euro-Turbulenzen, dauerhaft niedrigen
Zinsen und fortschreitender Digitalisierung. Trotz aller
Transformationsanstrengungen sank die Eigenkapitalrendite unaufhörlich. Dagegen
ist sie 2021 zum zweiten Mal in Folge gestiegen - und das gleich um 2,1
Prozentpunkte auf 3,2 Prozent. In der Studie "Deutschlands Banken 2022: Im Auge
des Sturms" befasst sich die internationale Unternehmensberatung Bain & Company
mit dem jüngsten Aufwärtstrend, analysiert mögliche Auswirkungen von
konjunktureller Talfahrt, Inflation und Zinswende auf die Rendite bis 2026 und
zeigt auf, wie Kreditinstitute in puncto Profitabilität dennoch weiter zulegen
können.
Insbesondere zwei Faktoren haben den jüngsten Renditeanstieg begünstigt: eine im
Vergleich zum Rezessionsjahr 2020 deutlich niedrigere Kreditrisikovorsorge und
eine Steigerung des branchenweiten Provisionsüberschusses um 17 Prozent auf 38,3
Milliarden Euro. Dabei profitierten die Banken von einem lebhaften
Wertpapiergeschäft, der vermehrten Vermarktung von Leistungen Dritter sowie der
Abkehr von kostenlosen Bankservices im Retail-Geschäft. "Die deutschen
Kreditinstitute haben ihre traditionelle Abhängigkeit von zinstragenden
Geschäftsfeldern verringert", erklärt Walter Sinn, Bain-Deutschlandchef und
Co-Autor der Studie. "Das ist ein sichtbarer Erfolg ihrer Transformation."
Zahl der Institute und Filialen geht weiter zurück
Fortschritte sind auch bei der Straffung des Filialnetzes und beim Thema
Konsolidierung erkennbar. Binnen eines Jahres sank die Zahl der Zweigstellen um
fast 9 Prozent auf nunmehr 18.600, da viele Banken nach den pandemiebedingten
Schließungen einen Teil ihrer Filialen nicht wiedereröffneten. Die Zahl der
Kreditinstitute in Deutschland ging um gut 4 Prozent auf knapp 1.440 zurück.
Insbesondere bei den Kreditgenossenschaften und Sparkassen ist es zu weiteren
Zusammenschlüssen gekommen.
Allerdings könnte die Renditeerholung den Bain-Analysen zufolge von kurzer Dauer
sein. Im Jahresverlauf 2022 hat sich ein Sturm aus hoher Inflation,
konjunktureller Talfahrt, geopolitischen Spannungen und weiterhin gestörten
Lieferketten zusammengebraut. Ohne Gegensteuern droht den Banken daher in den
kommenden fünf Jahren ein erneuter Rückgang ihrer Eigenkapitalrendite - und zwar
auf 1,6 bis 1,7 Prozent. "Die erhofften positiven Effekte der Zinswende werden
vorerst ausbleiben", konstatiert Bain-Partner und Co-Autor Sebastian Thoben.
"Während die Banken bereits kurzfristig höhere Finanzierungskosten verkraften
müssen, wirken sich die steigenden Zinsen bei den Erträgen erst nach und nach
aus." Denn bei vielen Krediten gebe es eine langfristige Zinsbindung.
Drohender Renditerückgang erfordert konsequentes Handeln
Machtlos sind die Banken in dieser Situation jedoch keineswegs. Eine weitere
Modellrechnung im Rahmen der Studie zeigt, dass sowohl Zins- als auch
Provisionserträge steigen und die Kosten sinken deutlich, wenn Kreditinstitute
entschlossen handeln. Dazu gehört, die Transformation zu forcieren, die
Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und auch anorganische Optionen zu nutzen.
"Setzen die Banken in den kommenden fünf Jahren alle Hebel in Bewegung, sind 7
bis 9 Prozent Rendite machbar", so Branchenkenner Thoben. Damit würden die
Institute wieder ihre Kapitalkosten verdienen (Abbildung).
In der Bain-Studie sind acht Stellhebel aufgeführt, mit deren Hilfe sich dieser
Anstieg bis 2026 erreichen lässt. Auf der Ertragsseite bilden der zügige Ausbau
des ESG-Geschäfts sowie das Wachstum "Beyond Banking" Schwerpunkte. Schon heute
binden erste Institute Firmenkunden mit zusätzlichen Dienstleistungen wie etwa
Buchhaltungsservices verstärkt an sich. Positiv würde sich auch eine
systematische Syndizierung und Verbriefung von Firmenkrediten auswirken. Nach
Bain-Berechnungen könnten allein die großen Banken in Deutschland damit rund
vier Milliarden Euro höhere Zins- und Provisionsüberschüsse erzielen.
Automatisierung und Digitalisierung bleiben Schlüssel zum Erfolg
Entscheidend für höhere Renditen sind aber vor allem Fortschritte auf der
Kostenseite. Allein die Fortführung und Intensivierung der Effizienzprogramme
kann bereits einen Anstieg der Eigenkapitalrendite um gut 2 bis nahezu 3
Prozentpunkte bewirken. Dies bedingt insbesondere eine forcierte Automatisierung
und Digitalisierung. Zusätzliches Einsparpotenzial bietet die vermehrte Nutzung
von Web3-Technologien wie Blockchain oder Smart Contracts. Durch deren Einsatz
unter anderem bei Kreditvergabe, Leasing, Asset Services und im Cash Management
lassen sich die Kosten im Firmenkundengeschäft um gut ein Viertel senken. Auch
in anderen Geschäftsbereichen sind prozentual zweistellige Einsparungen
realisierbar.
Mit der Modernisierung ihrer IT haben Deutschlands Banken eine gute Basis
geschaffen, um solche Technologien zügig und flächendeckend zu verwenden. Aus
Sicht von Bain-Deutschlandchef Sinn gilt es nun den nächsten Schritt zu gehen:
"Die Banken sollten noch konsequenter neue Technologien nutzen, neue Märkte
erschließen und alte Zöpfe abschneiden." Eine Bereinigung des Geschäfts- und
Kreditportfolios sei vielerorts unumgänglich. Das turbulente Umfeld dürfe Banken
nicht von solchen Maßnahmen abhalten. Und er betont: "Wenn Banken jetzt die
Segel richtig setzen, werden sie zu den Gewinnern von morgen gehören - mit
höheren Erträgen, niedrigeren Kosten und einer Rendite, die sich zumindest auf
dem Niveau ihrer Kapitalkosten bewegt."
Hier finden sie die Grafik: https://ots.de/5RibSY
Über die Studie
Zum achten Mal wertet Bain & Company die Bilanz- und GuV-Strukturen der
deutschen Kreditinstitute aus, von denen es 2021 hierzulande noch knapp 1.440
gab. Die Experten nutzen dazu Zeitreihen der Deutschen Bundesbank und der
Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Datenbanken von Dun & Bradstreet und
S&P Global. Der Zuschnitt der Institutsgruppen orientiert sich an der
Klassifizierung der Deutschen Bundesbank.
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