Verschlechterung der Zahlungsmoral in Deutschland droht
Köln (ots) -
- Studie des internationalen Kreditversicherers Atradius: Politische und
wirtschaftliche Herausforderungen sorgen für eine tiefe Verunsicherung
- Verlangsamte Zahlungsabläufe führen zu Cashflow-Problemen
- Unternehmen ergreifen weitreichende Maßnahmen
Mehr als die Hälfte der deutschen Chemie-, Bau- und Transportunternehmen
erwartet für das Jahr 2023 eine Verschlechterung der Zahlungsmoral ihrer
Geschäftskunden. Das ist eines der Ergebnisse der jährlichen Umfrage des
internationalen Kreditversicherers Atradius zur Zahlungsmoral in Deutschland in
ausgewählten Branchen. "Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen
Herausforderungen sorgen für eine tiefe Verunsicherung, denn die verlangsamten
Zahlungsabläufe bei B2B-Kunden können zu anhaltenden Cashflow-Problemen führen",
analysiert Frank Liebold, Country Director Deutschland beim internationalen
Kreditversicherer Atradius. Befragt wurden rund 200 Unternehmen aus den
Bereichen Chemie, Bau und Transport.
Das zentrale, branchenübergreifende Problem ist laut der Atradius-Studie: Wenn
Unternehmen Lieferanten bezahlen müssen, bevor sie die Zahlungen von ihren
eigenen B2B-Kunden erhalten haben, ist ihre Liquidität ernsthaft gefährdet. Die
Chemiebranche reagierte angesichts dieses Risikos mit der Forderung an ihre
Kunden, Rechnungen schneller zu begleichen. So sollten mehr flüssige Mittel im
Unternehmen gehalten und die Nutzung externer Finanzquellen vermieden werden.
Das Resultat war, dass sich die Zahlungsfrist in der Branche von 66 Tagen im
letzten Jahr auf derzeit 41 Tage verkürzte. Dennoch verzeichneten die deutschen
Chemiebetriebe einen deutlichen Anstieg bei lange ausstehenden Rechnungen.
Auch in der Baubranche verschärft sich die Lage. Die Zahl der Insolvenzen stieg
im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 19 %. Darüber hinaus
erhält Atradius nach eigenen Angaben zunehmend Nichtzahlungsmeldungen. "Kleine
und mittelgroße Unternehmen sind stärker betroffen", so Frank Liebold. Dabei
hatte sich die Situation zum Zeitpunkt der Befragung (Mai bis Mitte Juli 2022)
noch weniger dramatisch dargestellt: 86 % des Gesamtwertes aller Verkäufe der
Branche an B2B-Kunden wurden pünktlich bezahlt - lediglich 12 % der Zahlungen
waren überfällig. Ein weiterer wichtiger Indikator für die Verschärfung der Lage
war laut der Studie, dass die als uneinbringlich abgeschriebenen Forderungen 2 %
ausmachen. In der Chemiebranche liegt der Vergleichswert bei 5 % und im
Transportgewerbe mit 6 % dreimal so hoch.
Auch das Transportwesen erzielte dank umfangreicher Maßnahmen einen Rückgang der
überfälligen B2B-Rechnungen um durchschnittlich 30 %. Diese machen derzeit einen
Anteil von 38 % vom Gesamtwert aller B2B-Umsätze aus. Im letzten Jahr lag ihr
Anteil bei 54 %. "Dadurch, dass weniger Liquidität in ausstehenden Forderungen
gebunden war, verringerte sich die Abhängigkeit von externer Finanzierung",
erklärt Frank Liebold.
Branchenübergreifende Maßnahmen zur Sicherung des Cashflows
Angesichts der Unsicherheiten wurden branchenübergreifend zahlreiche Maßnahmen
ergriffen, um den Cashflow zu sichern. Dazu zählten in der Chemie neben der
Verkürzung der Zahlungsfristen, dass Zahlungen an Lieferanten hinausgeschoben
wurden, um flüssige Mittel im Unternehmen zu halten. Vielfach wurden zudem - wie
auch in der Transportbranche - Skonti für vorzeitige Zahlungen gewährt.
Im Baugewerbe zahlte sich die robuste Strategie für das Debitorenmanagement vor
Verkäufen mit vereinbartem Zahlungsziel und während der Zahlungsfrist aus. Die
befragten Betriebe gaben laut Studie an, potenzielle Kunden einer strengeren
Bonitätsprüfung zu unterziehen und dabei insbesondere die Wahrscheinlichkeit
einer fristgerechten Zahlung zu prüfen. Darüber hinaus implementierten sie
konsequente Prüfungen der Wartezeit zwischen dem Verkauf auf Ziel und der
Zahlung durch den Kunden. So konnten sie Beträge effektiv einziehen und mussten
seltener auf externe Finanzierungsquellen zurückgreifen. "Trotz der bereits
eingeleiteten internen Maßnahmen ist bei vielen Unternehmen das Interesse an
Kreditversicherungen deutlich gestiegen", betont Frank Liebold.
Chemie, Bau und Transport sehen dunkle Wolken über dem Jahr 2023
Der Ausblick auf das Jahr 2023 ist unter den befragten deutschen Chemiefirmen
pessimistisch. Ein länger anhaltender Abschwung der weltweiten Konjunktur
bereitet 40 % von ihnen Sorgen. Eine erhebliche Anzahl befürchtet ein steigendes
Risiko für Zahlungsausfälle von B2B-Kunden und daraus resultierende
Liquiditätsengpässe. Wenig hilfreich ist in dieser Situation die Unsicherheit
hinsichtlich hoher Energiepreise, anhaltender Lieferkettenstörungen und
geopolitischer Spannungen. Die Zukunftssorgen äußern sich in einer erheblichen
Verschlechterung des Geschäftsklimas. Nur 59 % der befragten Unternehmen gaben
an, sie seien optimistisch, was ihr eigenes Wachstum und das Zahlungsverhalten
von Kunden in den kommenden zwölf Monaten angeht. Im vergangenen Jahr lag dieser
Wert noch bei 83 %.
In der Baubranche dominieren aktuell große Sorgen beim Blick in die Zukunft. 78
% der befragten Unternehmen befürchten, dass die Preise für wichtige
Baumaterialien durch die globale Unsicherheit infolge von geopolitischen
Spannungen, Lieferkettenstörungen und steigenden Energiekosten in die Höhe
getrieben werden. Zusätzlich belasten das Fehlen von Fachkräften, insbesondere
aus dem Ausland, und fehlende Preisgleitklauseln. Zudem führen stark gestiegene
Zinsen zu einem Rückgang bei den Investitionen. Gleichzeitig werden die Banken
restriktiver. Hinzu kommen ein rückläufiger Auftragsbestand und eine damit
einhergehende Verschlechterung der Ergebnissituation.
In das pessimistische Gesamtbild passt auch, dass 61 % der befragten Baufirmen
ihre Wachstumsaussichten für das nächste Jahr negativ einschätzen.
Besorgniserregend ist zudem, dass nur 31 % die Entwicklung des
Zahlungsverhaltens von Kunden optimistisch beurteilten (gegenüber 64 % im
letzten Jahr). Auch die Stimmung zur Forderungslaufzeit hat sich verändert: 75 %
der Unternehmen gaben an, in den kommenden Monaten keine signifikanten
Schwankungen der Forderungslaufzeit zu erwarten. Das ist ein deutlicher Anstieg
gegenüber dem Wert von 33 % aus dem letzten Jahr. Dies legt nach den Worten von
Frank Liebold nahe, dass sich die deutsche Bauwirtschaft auf ein effektives
Inkasso konzentrieren wird, um einen ausreichenden Cashflow sicherzustellen.
Eingetrübt sind die Aussichten auch unter den Transporteuren. Die befragten
Betriebe rechnen für die nächsten zwölf Monate mit einer Verschlechterung der
Zahlungsmoral von B2B-Kunden. Nur 36 % erwarten eine Verbesserung, verglichen
mit 64 % im letzten Jahr. Frank Liebold: "Dieses Ergebnis ist Ausdruck einer
tiefen Besorgnis angesichts eines langsameren oder ausbleibenden Aufschwungs in
Branchen, mit denen der Transportsektor stark verflochten ist." Es spiegele auch
die Angst vor anhaltenden Störungen der Lieferketten wider, die sich auf die
Branche besonders stark auswirken. Außerdem brachten die befragten deutschen
Transporteure ihre großen Befürchtungen über einen anhaltenden Abschwung der
Weltwirtschaft zum Ausdruck. Gleichzeitig äußersten sie sich recht
zuversichtlich über ein potenzielles Unternehmenswachstum. Die Firmen erwarten,
dass die Forderungslaufzeit relativ stabil bleiben wird, was möglicherweise den
Aufwärtstrend bei der Nutzung von Kreditversicherungen innerhalb der Branche
widerspiegelt.
Die detaillierte Umfrage finden Sie unter diesem Link (https://atradius.de/publi
kation/atradius-zahlungsmoralbarometer-deutschland-2022.html) .
Über Atradius
Atradius ist ein globaler Anbieter von Kreditversicherungen, Bürgschaften,
Inkassodienstleistungen und Wirtschaftsinformationen mit einer strategischen
Präsenz in mehr als 50 Ländern. Die von Atradius angebotenen Produkte schützen
Unternehmen weltweit vor den Ausfallrisiken beim Verkauf von Waren und
Dienstleistungen auf Kredit. Atradius ist Mitglied der Grupo Catalana Occidente
(GCO.MC), einer der größten Versicherer in Spanien und einer der größten
Kreditversicherer der Welt. Weitere Informationen finden Sie online unter
www.atradius.de. (http://www.atradius.de)
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Atradius Kreditversicherung
Niederlassung der Atradius Crédito y Caución S.A. de Seguros y
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OTS: Atradius Kreditversicherung