BERLIN (dpa-AFX) - Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering warnt vor einer Dramatisierung der jüngsten AfD-Wahlerfolge. "Wir dürfen jetzt nicht so tun, als ob mit dem Triumph der AfD das Grundgesetz ausgehebelt wird", sagte Müntefering dem "Tagesspiegel". Der 84-Jährige fügte hinzu: "Das Grundgesetz lebt. Die demokratischen Parteien sind in der Pflicht, es zu verteidigen. Und sie können das."

Bei der Landtagswahl in Thüringen war die AfD erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. In Sachsen lag sie nur knapp hinter der CDU auf Platz zwei. Müntefering sieht die Wahlerfolge nicht nur als Triumph, sondern auch als Last für die Partei. Diese werde nun genauer denn je beobachtet, was sie mit ihrer Macht anstelle. Der Rechtsextremismus lebe davon, "Stunk zu machen, statt Politik zu gestalten. Ich bin deshalb sicher, dass die AfD in absehbarer Zeit an ihr Ende kommen wird - oder aber sich verändert und entradikalisiert."

Der Ex-SPD-Chef sieht auch nicht alle AfD-Wähler für andere Parteien verloren. "Die wenigsten AfD-Wähler sind Nazis. Die folgen derzeit den Schreihälsen auf den Marktplätzen, aber sie pflegen in der Mehrheit kein nationalsozialistisches Gedankengut", sagte Müntefering. "Wer AfD aus Protest wählt, dem sollten die demokratischen Parteien ein Angebot machen: Lasst uns miteinander reden, gern auch streiten. Aber wir erwarten von Euch, dass ihr die Demokratie nicht aufgebt." Viele AfD-Wähler ließen sich ganz gewiss für SPD, CDU, FDP und Grüne gewinnen, betonte Müntefering./shy/DP/zb