(Der letzte Satz des Texts wurde präzisiert. Die AfD will eine Alternative zur Nato entwickeln.)

BERLIN (dpa-AFX) - Wirtschaft, Wohnen, Waffenlieferungen: Vor der erwarteten Bundestagswahl am 23. Februar beginnen die Parteien mit Vorschlägen und Versprechen das große Buhlen um die Wählerinnen und Wähler. Union, SPD und Grüne stellten in Berlin ihre Wahlprogramme vor, auch die Ideen von FDP, AfD, Linken und Bündnis Sahra Wagenknecht sind weitgehend bekannt - mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten.

Für die SPD setzt Kanzler Olaf Scholz auf gute Löhne und soziale Sicherheit. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz wirbt mit dem Vorschlag drastischer Steuersenkungen. Die FDP mit Spitzenkandidat Christian Lindner konzentriert sich auf die Wirtschaft. Den Grünen um Vizekanzler Robert Habeck geht es um die sozialverträgliche Gestaltung des Klimaschutzes.

Die AfD um Kanzlerkandidatin Alice Weidel will - anders als alle anderen Parteien im Bundestag - einen Austritt aus der EU, dem Euro und dem Pariser Klimaabkommen. Die Linke mit dem Spitzenduo Jan van Aken und Heidi Reichinnek sieht niedrigere Mieten und Lebenshaltungskosten als Topthemen. BSW-Kanzlerkandidatin Sahra Wagenknecht verlangt ein Ende der Waffenhilfen für die Ukraine. Es gibt Schnittmengen, aber teils liegen die Positionen weit auseinander.

Steuern und Schuldenbremse

Entlastungen versprechen alle politischen Kräfte. Die SPD will das für 95 Prozent aller Steuerzahler - ohne allerdings Details zu nennen. CDU und CSU wollen den Einkommensteuertarif schrittweise senken. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst bei höheren Einkommen greifen. Die Grünen wollen einen höheren Grundfreibetrag, bis zu dem keine Einkommensteuer anfällt. Die FDP nennt dafür die konkrete Zahl von mindestens 1.000 Euro.

Den Solidaritätszuschlag möchten Union und FDP komplett abschaffen. Die SPD will ihn für die Reicheren behalten, die Grünen wollen ihn als Teil der Einkommensteuer. Die AfD ist für geringere Steuern beim Einkommen und höhere Steuerbefreiungen auf Kapitaleinkünfte (Sparerpauschbetrag). Zudem will sie eine Abschaffung der CO2-Abgabe, der Grundsteuer und der Erbschaftssteuer.

Die SPD stellt eine niedrigere Mehrwertsteuer für Lebensmittel in Aussicht, die Linke will diese Steuer für Grundnahrungsmittel sogar auf null senken. Zur Gegenfinanzierung wollen SPD und Grüne Menschen mit hohen Vermögen stärker zur Kasse bitten. Das wollen auch Linke und BSW.

An der Schuldenbremse scheiden sich die Geister: Union und FDP wollen daran festhalten - die SPD will Ausnahmen für Investitionen einführen, die Grünen solche ermöglichen, das BSW ebenfalls. Die Linke will die Bremse kippen.

Soziales und Mindestlohn

Mindestlohn 15 Euro: Das wollen SPD, Grüne, BSW und Linke. CDU/CSU stellen Ideen für "die Fleißigen" nach vorn, etwa steuerfreie Überstundenzuschläge. Mehr Arbeitsanreize will die Union auch bei Sozialleistungen. Das "Bürgergeld" will sie unter diesem Namen abschaffen und durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzen, mit einem Schwerpunkt auf Vermittlung in Jobs. Wer nicht bereit zur Arbeit sei, solle die Grundsicherung gestrichen bekommen, heißt es bei der Union.

Die Linke geht in die Gegenrichtung: Sie will das Bürgergeld zu einer "sanktionsfreien Mindestsicherung" machen in Höhe von 1.400 Euro monatlich für Alleinstehende inklusive Miete und Wohnkosten.

Rente

Rente ist für SPD, Grüne, BSW und Linke ein zentrales Thema. SPD und Grüne wollen das Rentenniveau bei 48 Prozent erhalten. Die Grünen schlagen zur Absicherung einen Bürgerfonds vor: Mit Darlehen und Eigenmitteln des Bundes soll nachhaltig und klimaverträglich in europäische und deutsche Unternehmen investiert werden. Die Erträge sollen zur Stärkung geringerer und mittlerer Renten benutzt werden.

Linke und BSW verlangen bessere Leistungen der gesetzlichen Rente, auch um den Preis höherer Beiträge. Sie wollen alle einzahlen lassen, also auch Beamte, Abgeordnete oder Minister.

Die Linke will das Rentenalter von 67 auf 65 Jahre senken - SPD, Grüne und Union wollen das nicht antasten. Einen "wirklich flexiblen Renteneintritt" verlangt die FDP. Außerdem hat sie erneut ihre Forderungen nach einer "individuelle Aktienrente" und nach einem "Altersvorsorgedepot für die private Altersvorsorge" in ihr Programm geschrieben.

Wirtschaft und Konjunktur

"Leistung muss sich wieder lohnen", heißt es bei der Union. Flexiblere Regeln, Vereinfachungen, weniger Bürokratie sollen Deutschland flotter machen. Als "Schutzschirm für unsere Wirtschaft" kündigt die Union Instrumente gegen Subventionen an, die den globalen Wettbewerb verzerren. Die FDP verlangt "tiefgreifende und strukturelle Reformen" für eine "echte Wirtschaftswende". Dazu zählt sie das Senken der Unternehmenssteuern auf unter 25 Prozent.

Die SPD ist für einen sogenannten Deutschlandfonds, aus dem Strom- und Wärmenetze, Ladesäulen und Wohnungen gefördert werden sollen. Das Konzept eines kreditfinanzierten Deutschlandfonds vertreten auch die Grünen - etwa fürs Schienennetz, Kitas oder auch Innovationsanreize. Die Linke will laut Programm 20 Milliarden Euro im Jahr in gemeinnützigen Wohnraum investieren.

Das BSW sieht in niedrigen Energiepreisen den Treiber der Konjunktur. Nach Wagenknechts Vorstellungen sollen der CO2-Preis abgeschafft, Subventionen für Erneuerbare gestrichen und mehr fossile Energie nach dem "Kriterium des niedrigsten Preises" importiert werden.

Migration

Die Union will umgehend einen faktischen Aufnahmestopp für unberechtigt einreisende Migranten. Wer aus einem EU- oder Schengen-Staat für einen Asylantrag einreist, soll an der Grenze abgewiesen werden. Das BSW hat eine ähnliche Linie. "Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, hat kein Recht auf Aufenthalt", meint Wagenknecht. In dem Fall gebe es auch einen Anspruch auf Leistungen.

Inhaltlich ähnlich, mit noch schärferen Worten ist die AfD am Start. Im Entwurf ihres Programms fordert sie: "Asylparadies Deutschland schließen" oder "Deutschland braucht eine umfassende Rückführungsoffensive".

Die SPD setzt sich zwar für "rasche wie konsequente Abschiebungen" ein, bevorzugt aber die freiwillige Rückkehr von Migrantinnen und Migranten ohne Bleiberecht. Die Grünen setzen auf eine "faire, verbindliche und solidarische Verteilung von Schutzsuchenden in Europa". Die FDP plädiert für eine "geordnete Migration" nach klaren Regeln. Die Linke will keine Beschränkungen beim Asyl.

Ukraine/Russland

Der Ukraine-Krieg ist für alle Parteien ein Thema. Die SPD will Waffenlieferungen an die Ukraine "mit Besonnenheit und Augenmaß" und "so lange wie nötig" fortsetzen. Sie ist aber gegen die Lieferung der von der Ukraine erbetenen Taurus-Marschflugkörper.

Unions-Kandidat Merz hat diese dagegen unter bestimmten Bedingungen in Aussicht gestellt. Der Ukraine versprechen CDU/CSU alle erforderliche Unterstützung. Nach einem Wahlsieg will die Union, dass Deutschland, Frankreich, Polen und England in Abstimmung mit den USA gemeinsam Sicherheitsgarantien für die Ukraine entwickeln.

Im FDP-Programmentwurf heißt es, die Ukraine müsse sich gegen Abschussbasen und Nachschublinien auf russischer Seite mit weitreichenden Waffen verteidigen können. "Daher fordern wir die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus."

Das BSW verlangt ein Ende der militärischen Unterstützung für die Ukraine. "Wir fordern die Streichung der Waffengelder aus dem Bundeshaushalt und endlich ehrliche Bemühungen um einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen", heißt es in einem Papier von Wagenknecht. Wie sie will auch die AfD das Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland und die Rückkehr zu Gasimporten von dort.

Bundeswehr und Verteidigung

Die Union ist für eine aufwachsende Wehrpflicht. Die SPD lehnt eine Rückkehr zur Wehrpflicht ab, will aber einen "neuen, flexiblen Wehrdienst". Die Grünen wollen den freiwilligen Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen. Die FDP will "die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitkraft in Europa" ausbauen.

Das BSW macht die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen zum Thema: Das lehnt Wagenknecht strikt ab. Das sieht die Linke genauso. Diese fordert zudem, die Nato durch "eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur für Europa" zu ersetzen. Auch die AfD will langfristig eine Alternative zur Nato entwickeln./bw/DP/mis