HAMBURG (dpa-AFX) - Mit der Übernahme des US-Unternehmens Storage Solutions hat der Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich einen echten Coup gelandet. Nebst dem Markteintritt in den USA hat es Vorstandschef Lars Brzoska damit nämlich auch geschafft, den familiengeführten Hamburger Konzern, als ernstzunehmenden Akteur auf dem Markt für Unternehmenszukäufe zu positionieren. Was bei Jungheinrich los ist, die Analysten sagen und die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI JUNGHEINRICH:

Als der Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich vor knapp zwei Wochen die Übernahme der US-amerikanischen Storage Solutions Gruppe verkündete, staunten die Anleger nicht schlecht. Die Aktie stieg auf das Niveau von vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, die Analysten waren voll des Lobes. Und auch der Jungheinrich-Chef scheint zufrieden: Die Akquisition sei eine großartige Chance, Jungheinrichs Präsenz auszubauen und damit starkes künftiges Wachstum zu generieren, sagte Lars Brzoska der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX Ende Januar.

Das Kerngeschäft von Storage Solutions ist die Lagerautomatisierung. Die Branche profitiert perspektivisch von der Inflation. Denn wenn Preise und Löhne steigen, wird es immer sinnvoller, in die Automation von Prozessen zu investieren. Zu den Kunden von Storage Solutions gehören Drittlogistik-Anbieter wie Fedex , aber auch Unternehmen aus der Industrie wie ABB und Lebensmittelbranche wie Nestle .

Mit der Übernahme konnte Jungheinrich gleich aus mehreren Gründen begeistern. Zum einen ist es ein wichtiger Schritt zum Erreichen der Mittelfrist-Ziele. Bis 2025 soll insbesondere durch anorganisches Wachstum ein Fünftel des Umsatzes außerhalb Europas erzielt werden. 2021 waren es gerade mal 13 Prozent.

Außerdem hat Jungheinrich durch Storage Solutions endlich einen Fuß in die Tür des US-Markts bekommen. Die fehlende Präsenz in dem wichtigen Markt auf der anderen Seite des Atlantiks wurde in der Vergangenheit häufig kritisiert. Nun also können die Hamburger ihre Kunden aus der EU auch in den Vereinigten Staaten betreuen - und umgekehrt.

Und Brzoska hat es mit der Übernahme auch geschafft, bei Jungheinrich eine neue Ära einzuläuten. Das familiengeführte Unternehmen galt bislang als eher zurückhaltend, was Übernahmen angeht. "Die Akquisition von Storage Solutions ist für Jungheinrich die bisher größte Transaktion dieser Art", sagte Brzoska. Er steht seit September 2019 an der Spitze von Jungheinrich. Das Risiko indes ist überschaubar. Der Gesamtkaufpreis von 375 Millionen US-Dollar (342 Mio Euro) soll aus Barmitteln und Fremdkapital finanziert werden, wirkt sich also kaum auf Jungheinrichs Verschuldungsgrad aus. "Die Akquisition trägt von Beginn an zur Wertsteigerung unseres Unternehmens bei", versicherte Brzoska im Interview. Der um Abschreibungen und Einmaleffekte bereinigte operative Gewinn (bereinigtes Ebit) von Storage Solutions wird sich für 2022 auf voraussichtlich rund 34 Millionen Dollar belaufen.

In nächster Zeit soll sich Jungheinrich nun zunächst auf den Ausbau des Geschäfts mit Storage Solutions und die anschließende Integration konzentrieren. Allzu große Probleme dürften dabei allerdings nicht auftauchen. Die beiden Unternehmen haben laut Brzoska "hundertprozentig komplementäre Profile".

"Gleichzeitig werden wir unsere M&A-Strategie weiterverfolgen und uns selbstverständlich nach Gelegenheiten umsehen", sagte er. Die verbleibende "Feuerkraft", wie der Manager in einer Telefonkonferenz mit Analysten sagte, sei noch nicht ausgeschöpft. Laut Analysten verbleiben noch 600 Millionen Euro. Jungheinrich wollte diese Zahl nicht bestätigen - aber auch nicht dementieren.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit der verkündeten Akquisition notiert die Jungheinrich-Aktie wieder auf dem Niveau von vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs - und noch höher. Am Montag kostete sie 35,98 Euro. Das Kursplus seit Jahresbeginn beläuft sich damit auf 35 Prozent. Die Aktie gehört insofern im bislang noch jungen Jahr zu den größten Gewinnern im MDax , dem Index der mittelgroßen Werte. Jungheinrichs ebenfalls im MDax notierter Konkurrent Kion schneidet allerdings mit einem Wertzuwachs von mehr als 46 Prozent noch besser ab.

Außerdem ist Kion mit einer Marktkapitalisierung von 5,1 Milliarden Euro auch deutlich mehr wert. Die seit 1990 an der Börse notierten Jungheinrich-Vorzugsaktien kommen aktuell auf eine Marktkapitalisierung von 1,7 Milliarden Euro. Die 48 Millionen Vorzüge machen knapp die Hälfte des Jungheinrich-Aktienkapitals aus. Der Rest sind Stammaktien, die im Eigentum der Erben des Firmengründers ist.

2023 haben sich bislang sechs von dpa-AFX erfasste Analysten zur Jungheinrich-Aktie geäußert. Die Mehrheit von ihnen ist positiv eingestellt: Vier empfehlen sie zu kaufen, nur jeweils ein Börsenexperte sie zu halten und zu verkaufen. Das durchschnittliche Kursziel der sechs Analysten liegt bei 35,67 Euro und damit etwas unter dem derzeitigen Kurs.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor fast einem Jahr hatte Jungheinrich unter Druck gesetzt. Unter anderem war Stahl zeitweise kaum verfügbar und wenn, dann nur zu sehr hohen Preisen. Das während der vorangegangenen zwei Pandemiejahre angeschwollene Auftragsbuch konnte deshalb nicht wie geplant abgearbeitet werden. Mittlerweile haben sich die Wolken aber gelichtet, die Experten in den Investmentbanken und Analysehäusern sind entsprechend zuversichtlich - sowohl für die vergangenen, als auch kommenden Monate.

So deuten aus Sicht von George Featherstone von der Bank of America die jüngsten Updates aus verschiedenen Unternehmen auf eine deutliche Entspannung der Lieferketten hin. Seiner Meinung nach spricht dies für einen erhöhten Auftragsbestand im vierten Quartal für die gesamte Industrielandschaft. Laut seinem Kollegen Jorge Gonzalez Sadornil von Hauck Aufhäuser Investment Banking sorgen die hohen Auftragsbestände dafür, dass sich Jungheinrich in schwierigem Umfeld stabil entwickeln sollte.

In den jüngsten Studien rückte die operative Entwicklung Jungheinrichs allerdings etwas in den Hintergrund und der Fokus der Analysten lag stattdessen vor allem auf dem Kauf von Storage Solutions. Das Unternehmen passe gut zu dem Hersteller für Lagertechnik, schrieb etwa Stefan Augustin vom Analysehaus Warburg Research. Er ist mit einem Kursziel von 46 Euro am optimistischsten für die Jungheinrich-Aktie.

Mit dem Eintritt in den US-Markt für Systeme der Lagerbewirtschaftung eröffneten sich laut Augustin für Jungheinrich neue Potenziale. Das Unternehmen könnte als lokale Basis für weitere Übernahmen genutzt werden. Als Kritikpunkt führte er die in seinen Augen konservative durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 5,6 Prozent des operativen Gewinns bis 2025 von Storage Solutions an. Aber man dürfe auch nicht vergessen, dass das Umfeld für Lagerhausprojekte in den USA derzeit schwierig ist.

Auf der anderen Seite sei das Integrationsrisiko vergleichsweise gering, so Augustin weiter, da die US-Amerikaner ihre Geschäfte eigenständig fortführen sollen. Die Übernahme von Storage Solutions ergänze zudem Jungheinrichs technologisches Angebot. Alles in allem begrüßt Augustin die Übernahme, da sie solide Chancen bei einer angemessenen Bewertung mit einem begrenzten Risiko biete./lew/mne/jha/