DÜSSELDORF/MAINZ (dpa-AFX) - Die Gasspeicher sind gut gefüllt, aber der Winter ist lang - einen künftig wachsenden Beitrag zur Versorgung könnten Gaslieferungen aus Belgien leisten. Unterstützt wird ein möglicher Ausbau der Kapazitäten vor allem in den benachbarten Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dabei geht es nicht nur um eine leistungsfähige Verbindung zum belgischen Flüssiggas-Terminal in Zeebrügge. Langfristig soll auch Wasserstoff über Belgien nach West- und Süddeutschland geführt werden. Das machen beide Landesregierungen deutlich, an denen die Grünen beteiligt sind. Die von der CDU geführte Düsseldorfer Landesregierung übt auch Kritik an der Bundesregierung mit ihrem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck.
"Bei der Sicherung der Energieversorgung konzentriert sich die Bundesregierung zu einseitig in Richtung Norddeutschland", sagt NRW-Europaminister Nathanael Liminski (CDU), der auch Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei ist. Vernachlässigt würden dabei "die großen Potenziale, die sich über unsere Nachbarn im Westen bieten". Deutschland müsse bei seiner strategischen Ausrichtung die gesamte Nordseeküste einbeziehen, auch Belgien und die Niederlande, fordert Liminski. Die NRW-Landesregierung stimme sich kontinuierlich mit den Regierungen der beiden Länder ab, um die Gasmengen zu erhöhen und schon jetzt die Weichen für Wasserstoff-Lieferungen zu stellen.
Sowohl in Düsseldorf als auch in Mainz wird eine Steigerung der Liefermenge als wichtiger Beitrag für die Versorgungssicherheit und die Preisstabilität in Deutschland gesehen. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) reiste nach der Einstellung russischer Gaslieferungen Anfang September nach Belgien, um sich dort über die Flüssiggas-Kapazitäten zu informieren. Die an der deutschen Nordseeküste geplanten Terminals seien von Rheinland-Pfalz relativ weit entfernt. "Deswegen ist die Anbindung an den Hafen Zeebrugge-Antwerpen für uns sehr wichtig", verdeutlichte Dreyer.
Wieder in Gas umgewandeltes Flüssiggas werde eine immer wichtigere Rolle spielen. Als einen "Energieträger der Zukunft" nannte die Ministerpräsidentin grünen Wasserstoff, also mit erneuerbaren Energien erzeugten Wasserstoff. Rheinland-Pfalz solle mit seiner zentralen Lage in Deutschland, der Grenze zu Belgien und dem Rhein als Transportweg ein wichtiger Wasserstoffverteilungsknoten werden.
Die Kooperation mit Belgien bei dem Ausbau der Gasversorgung könnte sich perspektivisch bei der Lieferung von Wasserstoff fortsetzen, sagt auch ein Sprecher von Klimaschutz- und Energieministerin Katrin Eder (Grüne). Belgien beabsichtige weitere Infrastrukturmaßnahmen, um den Gastransit nach Deutschland zu erhöhen. Diese sollen bis Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein. Dazu zählten die Umsetzung bereits geplanter Pipelineprojekte, der Ausbau von Flüssiggas- Terminals und Investitionen in den Gasfluss bei Verdichter-Stationen. Das sei notwendig, da das Gas in vielen Teilnetzen nicht mehr in die Richtung fließe, auf die die Netze ursprünglich ausgelegt seien.
Vorhandene Transportkapazitäten sind laut Mainzer Energieministerium in den vergangenen Monaten bereits etwas erweitert worden. So könnten die Kapazitäten am südlich von Aachen gelegenen Grenzübergangspunkt Eynatten von bislang 23 auf etwa 30 Gigawattstunden (GWh) gesteigert werden. Dafür haben die Netzbetreiber in Belgien und Deutschland netztechnische Anpassungen vorgenommen, so dass schon seit April 2022 mehr Erdgas nach Deutschland geflossen ist, wie das Ministerium erklärt.
NRW tritt insbesondere für einen weiteren Ausbau der Zeelink-Pipeline ein, die das belgische Flüssiggas-Terminal in Zeebrügge mit dem Westmünsterland verbindet. Diese Pipeline ist nach Angaben der Staatskanzlei in Düsseldorf für durchschnittlich 22 Millionen Kubikmeter pro Jahr ausgelegt. Derzeit liefere Belgien weit über 30 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Dies sei vorübergehend möglich. Im Gespräch sei aber, die Zeelink-Pipeline um 48 Kilometer auf belgischer Seite auszubauen und dadurch eine dauerhafte Kapazität der Pipeline von 34 Millionen Kubikmeter pro Jahr zu erreichen.
Laut Düsseldorfer Staatskanzlei geht es dabei um ein nachhaltiges Langzeitinvestment. Denn die ausgebaute Pipeline könnte zukünftig für den Wasserstoff-Import genutzt werden und somit "einen wichtigen Baustein hin zur klimaneutralen Industrieregion Nordrhein-Westfalen darstellen". "Wir setzen uns dafür ein, die notwendigen Voraussetzungen auf deutscher Seite zu schaffen. Dazu gehört zwingend eine entsprechende Anpassung des Netzentwicklungsplans im kommenden Jahr", unterstreicht Liminiski und fügt hinzu: "Mit Blick auf die Dringlichkeit haben wir die Bundesregierung aufgefordert, als Sofortmaßnahme eine Erhöhung der langfristigen Basiskapazitäten durch die Bundesnetzagentur zu veranlassen und so kurzfristig entsprechende Ausschreibungen zu ermöglichen."
An diesem Samstag wird das neue Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven in Betrieb genommen. Das Spezialschiff "Höegh Esperanza" dient als schwimmende Plattform, um von Tankern angeliefertes LNG anzulanden und wieder in einen gasförmigen Zustand umzuwandeln. Der erste Frachter, der nur LNG transportiert, wird Mitte Januar erwartet. Der in wenigen Monaten verwirklichte Bau des LNG-Terminals ist Teil der Bemühungen Deutschlands, unabhängig von Gaslieferungen aus Russland zu werden./vd/DP/zb
- Von Volker Danisch und Peter Zschunke, dpa -